Dipl.-Kfm. Michael Scherer
I. Die Gebühren im ersten Rechtszug
Rz. 4
→ Dazu Aufgaben Gruppe 9
Der zum Prozessbevollmächtigten bestellte RA erhält für seine Tätigkeit die in Teil 3 Abschnitt 1 VV RVG bestimmten Gebühren. Dagegen gilt Abschnitt 1 nicht für Verfahren, für die das RVG eigene Gebührenvorschriften in den Abschnitten 3 ff. des Teils 3 vorsieht, wie z. B. das Mahnverfahren oder das Zwangsvollstreckungsverfahren.
In gerichtlichen Verfahren entstehen für den bevollmächtigten RA in der Regel zwei Gebühren: eine Verfahrensgebühr und eine Terminsgebühr. Deshalb werden diese Gebühren manchmal auch als Regelgebühren bezeichnet.
Rz. 5
Genau genommen gibt es nicht nur eine Verfahrensgebühr und nur eine Terminsgebühr, sondern je nach Tätigkeitsmerkmalen verschiedene dieser Gebühren in unterschiedlicher Höhe. Mit den Begriffen Verfahrensgebühr und Terminsgebühr werden nämlich gewisse Typen von Gebühren bezeichnet, die für ganz bestimmte Tätigkeitsbereiche vorgesehen sind. Es ist also auf die Beschreibung einer jeden Gebühr in der entsprechenden Nummer des VV des RVG und auf die Definitionen in den Vorbemerkungen zu achten. Die Gebühren des RVG unterscheiden sich häufig nicht durch den Namen sondern nur in der Höhe des Gebührensatzes.
Da diese Gebühren Wertgebühren sind, wird der Betrag in Euro aus der Gebührentabelle abgelesen, die als Anlage zu § 13 Abs. 1 dem RVG beigefügt ist. Die Gebühren in der Tabelle gelten für den Gebührensatz 1,0. Der Gebührenbetrag aus der Tabelle ist also mit dem jeweiligen Gebührensatz zu multiplizieren.
Die Verfahrensgebühr und die Terminsgebühr erwachsen sowohl dem Prozessbevollmächtigten des Klägers als auch dem Prozessbevollmächtigten des Beklagten, wenn sie die entsprechenden Tätigkeiten durchgeführt haben.
1. Die Verfahrensgebühr
Rz. 6
Die Verfahrensgebühr entsteht "für das Betreiben des Geschäfts" und ist somit eine typische so genannte allgemeine Betriebsgebühr. Da sie eine Pauschgebühr ist, werden durch sie alle Tätigkeiten des RA in der Angelegenheit vergütet, die in § 19 RVG als zum Rechtszug gehörend bezeichnet werden.
Die Verfahrensgebühr gilt die gesamte Tätigkeit des RA in einem Rechtszug ab, außer wenn das RVG besondere Gebühren für eine bestimmte Tätigkeit vorsieht (z. B. Terminsgebühr, Einigungsgebühr, Beweisgebühr, Hebegebühr). Mit der Verfahrensgebühr werden im Einzelnen beispielsweise folgende Tätigkeiten des RA vergütet:
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dass der RA sich über den Streitstoff informiert, |
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dass er den Mandanten während des gesamten Verfahrens berät, |
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dass er Schriftsätze anfertigt und absendet, |
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beim Einwohnermeldeamt anfragt wegen der Anschrift des Gegners, |
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Anträge stellt, |
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Beweismittel angibt, |
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den Prozess führt oder auch |
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die Klage zurücknimmt. |
Die Verfahrensgebühr entsteht, sobald der RA irgendeine Tätigkeit als Prozessbevollmächtigter entfaltet hat. Im Normalfall hat er sie also bereits mit der Entgegennahme der ersten Information von seinem Auftraggeber verdient. Damit sie in voller Höhe entsteht, muss der RA des Klägers allerdings die Klageschrift bei Gericht eingereicht haben bzw. der RA des Beklagten einen Schriftsatz mit Anträgen; ansonsten erhält er wegen vorzeitiger Beendigung des Auftrages nur eine verminderte Verfahrensgebühr gemäß Nr. 3101 Ziff. 1 VV RVG (siehe Rdn 26 f.).
Rz. 7
Im Zivilprozess gelten in der ersten Instanz für die Verfahrensgebühr die folgenden Gebührensätze:
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In der Regel erhält der RA eine 1,3 Verfahrensgebühr gemäß Nr. 3100 VV RVG. |
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Bei vorzeitiger Beendigung des Auftrages wird der Gebührensatz vermindert auf eine 0,8 Verfahrensgebühr gemäß Nr. 3101 Ziff. 1 VV RVG (siehe Rdn 26 f.). Eine 0,8 Verfahrensgebühr entsteht auch bei Einbeziehung nicht rechtshängiger Ansprüche in einen gerichtlichen Vergleich nach Nr. 3101 Ziff. 2 VV RVG (siehe Rdn 28 ff.). |
Es ist unmöglich, dass in einem gerichtlichen Verfahren eine Terminsgebühr, eine Beweisgebühr oder die Einigungsgebühr nach Nr. 1003 VV RVG anfällt, ohne dass gleichzeitig eine Verfahrensgebühr entsteht. Die Verfahrensgebühr muss als allgemeine Betriebsgebühr auf jeden Fall erwachsen, bevor eine der anderen Gebühren zur Entstehung gelangen kann. Ebenso kann der Gegenstandswert der Verfahrensgebühr – mit Ausnahme des Falles der Einbeziehung nicht rechtshängiger Ansprüche in einen gerichtlichen Vergleich – nicht unter dem Wert der Terminsgebühr, der Beweisgebühr oder der Einigungsgebühr liegen.
Der Gegenstandswert der Verfahrensgebühr ergibt sich aus der Summe der Ansprüche, die gleichzeitig oder nacheinander in dem Prozess geltend gemacht werden. Man muss also die Werte der einzelnen Ansprüche zusammenzählen (§ 22 Abs. 1 RVG).
Rz. 8
Wird im Laufe des Verfahrens der Gegenstandswert erhöht, was z. B. durch Klageerweiterung der Fall sein kann, dann wird die Verfahrensgebühr nach dem höheren Gegenstandswert berechnet. Dagegen wirkt es sich auf eine bereits entstandene Verfahrensgebühr nicht aus, wenn der Gegenstandswert später z. B. durch Teilzahlung des Beklagten vermindert wird. Halten wir also fest: Gebührenstreitwert für die Verfahrensgebühr ist der Streitwert, wegen dessen der RA ins...