Dipl.-Kfm. Michael Scherer
Rz. 28
In Ziffer 2 der Nr. 3101 VV RVG wird die so genannte Differenzverfahrensgebühr geregelt. Dies ist eine 0,8 Verfahrensgebühr, die der RA erhält, wenn er den zusätzlichen Auftrag hat, über in diesem Prozess nicht rechtshängige Ansprüche eine Einigung herbeizuführen. Diese Ansprüche können auch in einem wegen anderer Sache laufenden Prozess anhängig sein. Sein Mitwirken bei der Einigung kann darin bestehen
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Verhandlungen über die Einigung zu führen, und/oder |
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eine Einigung zu gerichtlichem Protokoll zu nehmen, oder |
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einen schriftlichen Vergleich (Einigung) nach § 278 Abs. 6 ZPO herbeizuführen. |
Die 0,8 Differenzverfahrensgebühr erhält der RA zusätzlich zu der normalen 1,3 Verfahrensgebühr in dem rechtshängigen Verfahren. Voraussetzung ist, dass der RA auch wegen der nicht eingeklagten Ansprüche Prozessauftrag hat. Entscheidend für das Entstehen der Differenzverfahrensgebühr ist, dass auch über die nicht rechtshängigen Ansprüche hinsichtlich einer Einigung vor Gericht verhandelt wird. Es ist aber sogar ausreichend, wenn nur ein Antrag gestellt wird, die Einigung zu Protokoll zu nehmen – was auch nach vorherigen außergerichtlichen Verhandlungen möglich ist. Ein Einigungsversuch genügt; die Differenzverfahrensgebühr ist also auch dann entstanden, wenn die Einigung später doch nicht zustande kommt.
Bei den nicht rechtshängigen Ansprüchen, handelt es sich zumindest um nicht in diesen Rechtsstreit einbezogene Ansprüche, die bei einem Prozessvergleich in dem Rechtsstreit sozusagen mit erledigt werden. Diese Ansprüche sind also nicht in der Klage geltend gemacht worden, sie können aber auch bereits in einem anderen Prozess anhängig sein. Recht häufig kommt es vor, dass von einer Klageforderung zunächst nur ein Teilbetrag eingeklagt wird, um Kosten zu sparen. In diesem Fall erhält der RA neben der normalen 1,3 Verfahrensgebühr für den Rechtsstreit eine zusätzliche 0,8 Verfahrensgebühr (Differenzverfahrensgebühr) nach dem Wert der mit in den Vergleich einbezogenen nicht rechtshängigen Ansprüche, also des mit verglichenen Restbetrages der Klageforderung. In der ersten Instanz beträgt die Differenzverfahrensgebühr 0,8 und in den Rechtsmittelinstanzen 1,1 bzw. 1,8 (Nrn. 3201, 3209 VV RVG).
Rz. 29
Hinweis:
Wenn der RA einen unbedingten Prozessauftrag hat, kann nur eine 1,3 Verfahrensgebühr für die rechtshängigen und eine 0,8 Verfahrensgebühr für die nicht rechtshängigen Ansprüche entstehen. Hatte der RA allerdings für die nicht rechtshängigen Ansprüche den Auftrag zur außergerichtlichen Geschäftsbesorgung, so entsteht hierfür eine Geschäftsgebühr, die später auf die 0,8 Differenzverfahrensgebühr anzurechnen ist, wenn diese Ansprüche in den Prozessvergleich mit einbezogen werden (siehe § 6 Rdn 42 ff.).
Rz. 30
Für gerichtliche oder außergerichtliche Besprechungen wegen einer Einigung über die nicht rechtshängigen Ansprüche entsteht eine Differenzterminsgebühr nach der Vorbemerkung 3 Abs. 3 S. 3 Ziff. 2 VV RVG. Es ist ziemlich unwahrscheinlich, dass ein Vergleich zu gerichtlichem Protokoll gegeben wird, ohne dass zuvor darüber verhandelt wurde. Beachten Sie hierzu auch die Erläuterungen zum nachstehenden Beispiel.
Rz. 31
Daneben steht dem RA auch noch die Einigungsgebühr nach Nr. 1000 Ziff. 1 und Nr. 1003 VV RVG zu. Beachten Sie, dass die Einigung in diesem Prozessvergleich teilweise rechtshängige und teilweise nicht rechtshängige Ansprüche betrifft (vgl. auch § 2 Rdn 166 ff.).
Werden in einen gerichtlich protokollierten Vergleich nicht rechtshängige Ansprüche mit einbezogen, so wird für die vergleichsweise Erledigung der nicht rechtshängigen Gegenstände nach Nr. 1000 Ziff. 1 VV RVG eine Einigungsgebühr mit einem Gebührensatz von 1,5 berechnet, wogegen der Gebührensatz für die Einigung über die eingeklagten Gegenstände 1,0 nach Nr. 1003 VV RVG beträgt. Die Einigungsgebühr ist eine Erfolgsgebühr; ein nicht erfolgreicher Einigungsversuch lässt sie nicht entstehen.
Achtung:
Da also in solchen Fällen sowohl zwei Verfahrensgebühren als auch zwei Einigungsgebühren zu berechnen sind, ist bezüglich der beiden Verfahrensgebühren als auch der beiden Einigungsgebühren immer eine Überprüfung nach § 15 Abs. 3 RVG vorzunehmen (siehe § 2 Rdn 135 f.).
Hinweis:
Der Gegenstandswert für die 1,5 Einigungsgebühr und für die 0,8 Differenzverfahrensgebühr ist derselbe, nämlich der Wert der nicht rechtshängigen Gegenstände.
Auch in den Rechtsmittelinstanzen beträgt bezüglich der nicht rechtshängigen Ansprüche der Gebührensatz der Einigungsgebühr 1,5; jedoch beträgt der Gebührensatz der Einigungsgebühr für die rechtshängigen Ansprüche 1,3 nach Nr. 1004 VV RVG.
Beispiel:
Klage auf Schadenersatz von 30.000,00 EUR. Im Verhandlungstermin fragt das Gericht im Rahmen eines Vergleichsgesprächs, ob es noch weitere streitige Ansprüche gibt, die zu regeln wären. Auf diese Frage werden in die Einigungsgespräche weitere 4.000,00 EUR Schadenersatz eingebracht, die nicht eingeklagt wurden. Die Parteien gelangen zu einer Einigung über die Gesamtforderung von 34.000,...