Rz. 446

Die Wiederverheiratungsklausel[482] soll in der Regel dem Schutz der Schlusserben vor einer zusätzlichen Schmälerung des Nachlasses durch Hinzutreten eines weiteren pflichtteilsberechtigten Ehegatten dienen.[483] Das, was die Ehegatten den Schlusserben – meistens den eigenen Kindern – zugedacht haben, soll diesen auch letztendlich zukommen. Ohne besondere Anhaltspunkte lässt sich eine für den Fall der Wiederheirat getroffene Regelung nicht auf die Eingehung einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft übertragen.[484]

 

Rz. 447

Wiederverheiratungsklauseln werden von der h.M. daher als rechtlich sinnvoll angesehen und grundsätzlich für zulässig gehalten.[485] In der Literatur wurde im Anschluss an die Hohenzollern-Entscheidung des BVerfG vom 22.3.2004[486] jedoch darauf hingewiesen, dass die mittelbare Drittwirkung von Grundrechten auch bei Wiederverheiratungsklauseln zu beachten sei, weshalb sich eine Wiederverheiratungsklausel im Einzelfall gemäß § 138 Abs. 1 BGB als sittenwidrig darstellen könne.[487] Mit Urteil vom 15.10.2014 hat das OLG Saarbrücken diese Bedenken aufgegriffen und die Nichtigkeit einer Wiederverheiratungsklausel für den Fall angenommen, dass der überlebende Ehegatte bei Wiederheirat mit einem Vermächtnis in Höhe des Werts des Nachlasses beschwert werden sollte.[488] In der Beratungspraxis ist daher Vorsicht geboten, wenn es um die Ausgestaltung einer Wiederverheiratungsklausel geht. Liegt die Motivation einer Wiederverheiratungsklausel im Erhalt des Familienvermögens bei gleichzeitiger ausreichender Versorgung des Längerlebenden, ist eine Unwirksamkeit wohl nicht zu befürchten.[489] Darüber hinaus empfiehlt es sich, die Wiederverheiratungsklausel dahingehend auszugestalten, dass sie nicht bereits an die Wiederheirat als solche anknüpft, sondern nur für den Fall eingreift, dass der Längerlebende eine weitere Ehe eingeht, ohne zuvor mit seinem neuen Partner einen Erb- und Pflichtteilsverzicht geschlossen zu haben und er dies auch nicht innerhalb einer bestimmten Frist auf schriftliches Verlangen eines Abkömmlings nachholt. Durch eine solche Ausgestaltung wird zusätzlich deutlich gemacht, dass die Wiederverheiratungsklausel den Erhalt des Vermögens in der Familie bezwecken soll und nicht eine Sanktion des Längerlebenden.

Die Gestaltung der Wiederverheiratungsklausel ist je nach gewählter Testamentsform (Einheitslösung, Trennungslösung) unterschiedlich vorzunehmen.

 

Rz. 448

Bei der Trennungslösung ist z.B. wegen der durch Vor- und Nacherbschaft getrennten Vermögen bereits eine Sicherung der Schlusserben gegeben. An dem Vermögen des Erstversterbenden können bei der Trennungslösung keine Pflichtteilsrechte des neuen Ehegatten entstehen. Anders dagegen bei der Einheitslösung. Hier würde der neue Ehegatte an dem Vermögen des Erstversterbenden zwangsläufig partizipieren.

In der praktischen Gestaltung ist somit darauf zu achten, dass die Wiederverheiratungsklausel mit dem gewählten Testamentstyp in Einklang steht.

[482] Siehe näher Völzmann, RNotZ 2012, 1.
[483] Vgl. MüKo/Musielak, § 2269 Rn 47 ff.
[485] Vgl. Palandt/Weidlich, § 2269 Rn 17; Staudinger/Kanzleiter, § 2269 Rn 39; MüKo/Musielak, § 2269 Rn 47.
[486] ZEV 2004, 241; vgl. hierzu auch Otte, ZEV 2004, 393; Gaier, ZEV 2006, 2.
[487] Eingehend Scheuren-Brandes, ZEV 2005, 185; a.A. Staudinger/Kanzleiter, § 2268 Rn 39.
[488] DNotZ 2015, 691 mit Anm. Weber; die ergänzende Testamentsauslegung kann nach Ansicht des OLG Saarbrücken in einem solchen Fall jedoch zu einem Vermächtnisanspruch in Höhe des Pflichtteilsanspruchs führen.
[489] Scheuren-Brandes, ZEV 2005, 185, 188.

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