Dr. iur. Tobias Spanke, Walter Krug
Rz. 595
Nach den allgemeinen Regeln des Vertragsrechts (§§ 145 ff. BGB) werden die vertraglich vereinbarten Anordnungen mit Vertragsabschluss bindend, d.h. unwiderruflich. Die Wirkungen des Erbvertrags als einer Verfügung von Todes wegen treten aber erst mit dem Erbfall ein.
a) Rechtsstellung des Bedachten
Rz. 596
Der vertragsmäßig Bedachte, der nicht Vertragspartner ist, erwirbt mit dem Abschluss des Erbvertrags – trotz eingetretener Bindung – weder einen künftigen Anspruch noch eine Anwartschaft, sondern nur eine "tatsächliche Aussicht" auf den Erwerb, die noch keinen Rechtsboden für die Eintragung einer Vormerkung im Grundbuch abgeben kann. Der Erbvertrag ist kein Vertrag zugunsten Dritter im Sinne von § 328 BGB.
Rz. 597
Ist der vertragsmäßig Bedachte zugleich Vertragspartner und besteht kein Rücktrittsrecht, so spricht man von einer Anwartschaft, nicht Anwartschaftsrecht, deren Bestehen zwar Gegenstand einer Feststellungsklage sein kann, die aber im Grundbuch ebenfalls nicht vormerkbar ist. Weder Aussicht noch Anwartschaft sind durch § 823 Abs. 1 BGB deliktsrechtlich geschützt und gewähren auch keinen Anspruch auf einstweilige Verfügung gegen Beeinträchtigungen durch den Erblasser. Etwas anderes gilt, wenn zusätzlich zum Erbvertrag ein Verfügungsunterlassungsvertrag geschlossen wurde (vgl. nachfolgend Rdn 609 f.).
b) Rechtsstellung des Erblassers
aa) Grundsatz
Rz. 598
Der Erblasser hat nach der ausdrücklichen Bestimmung des § 2286 BGB grundsätzlich die Freiheit, unter Lebenden über sein Vermögen oder über den (im Wege des Vermächtnisses) zugewandten Gegenstand zu verfügen. Dass der Zuwendungsempfänger dadurch betroffen wird, nimmt das Gesetz in Kauf.
bb) Schenkungen
(1) Beeinträchtigende Schenkungen
Rz. 599
Der durch Erbvertrag bindend eingesetzte Erbe, der nicht zugleich Vertragspartner sein muss, wird durch § 2287 BGB nur gegen beeinträchtigende Schenkungen des Erblassers geschützt. Allerdings sind die vorgenommenen Schenkungen wirksam (keine Aushöhlungsnichtigkeit nach § 138 Abs. 1 BGB); sie geben dem benachteiligten Erben lediglich nach dem Tod des Erblassers einen Anspruch auf Herausgabe des Geschenks nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung (Rechtsfolgenverweisung, § 818 BGB). Damit besteht für den vertragsmäßig Bedachten auch die Gefahr, dass die Bereicherung zwischenzeitlich weggefallen sein könnte, § 818 Abs. 3 BGB. Bei unentgeltlicher Weitergabe an Dritte gilt allerdings § 822 BGB.
Die Geltung der §§ 2287, 2288 BGB kann vertraglich ausgeschlossen werden.
Rz. 600
Voraussetzungen für das Bestehen eines solchen bereicherungsrechtlichen Herausgabeanspruchs, der mit dem Erbfall entsteht und ab dann in 3 Jahren verjährt (§§ 2287 Abs. 2, 195 BGB), sind:
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Der Erblasser muss durch Schenkung verfügt haben. Der Schenkungsbegriff ist derselbe wie bei § 516 BGB, d.h. er erfordert objektive und subjektive Unentgeltlichkeit. Für die Wertberechnung kommt es auf den Zeitpunkt der Schenkung an unter Berücksichtigung des Kaufkraftschwundes. Handelt es sich um eine gemischte Schenkung, so müssen sich die Vertragsparteien (des Schenkungsvertrages) über die teilweise Unentgeltlichkeit einig gewesen sein, wobei vorbehaltene Nutzungsrechte (Wohnungsrecht/Nießbrauch) mit dem kapitalisierten Wert der Nutzungen, Rückforderungsrechte und Pflegeleistungen mit der subjektiven Prognose der ex ante Wertung der Pflegeleistungen vom Wert der unbelasteten Schenkung abzuziehen sind. |
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Zeitpunkt der Schenkung: Nur eine Schenkung, die nach Abschluss des Erbvertrags vorgenommen wird, kann einen Anspruch nach § 2287 BGB auslösen. Dieser wiederum kann erst mit Anfall der Erbschaft entstehen. |
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Objektive Beeinträchtigung: Nur eine auch objektive Beeinträchtigung des Vertragserben ist entscheidend. Hierbei ist zu prüfen, inwieweit der Vertragserbe bspw. bei lebzeitigen Zuwendungen an den Ehegatten tatsächlich benachteiligt ist, da der Bereicherungsanspruch aus § 2287 BGB auf dasjenige beschränkt ist, was nach Begleichung des Pflichtteils (ggf. auch der Zugewinnausgleichsforderung) übrig bleibt. Deshalb beeinträchtigt auch eine Schenkung an den Pflichtteilsberechtigten den Vertragserben nicht, wenn sie den Wert des Pflichtteils nicht übersteigt oder der Erblasser einen Gegenstand verschenkt, den er kraft Änderungsvorbehalt hätte auch von Todes wegen zuwenden können. |
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Beeinträchtigungsabsicht: Der Erblasser muss die objektive Beeinträchtigung des Vertragserben auch beabsichtigt haben (subjektive Beeinträchtigung). Es reicht aus, dass die Beeinträchtigung – neben möglicherweise anderen Motiven – gewollt war. Der BGH hat zu Recht darauf hingewiesen, dass dem Vertragserben erhebliche Beweisschwierigkeiten obliegen, wenn er die Benachteiligungsabsicht des Erblassers beweisen muss, und dass es letztlich darauf ankommt, ob die Schenkung ihrem Inhalt nach darauf gerichtet war, den Erbvertrag zu korrigieren, was dann der Fall sein soll, wenn der Erblasser... |