Dr. iur. Tobias Spanke, Walter Krug
Rz. 484
Das Gesetz geht im Allgemeinen vom einseitigen Erbvertrag aus (§ 2274 BGB), es kennt jedoch auch die Sonderform des Ehegattenerbvertrags (§§ 2280, 2292 BGB) und sonstige zweiseitige Erbverträge (§ 2298 BGB).
Man unterscheidet also einseitige Erbverträge sowie zwei- oder sogar mehrseitige Erbverträge.
a) Einseitiger Erbvertrag
Rz. 485
Wenn nur ein Vertragsteil eine Verfügung von Todes wegen trifft, der andere Vertragsteil aber nicht, so spricht man vom einseitigen Erbvertrag. Diese Art von Erbverträgen wird häufig in der Form geschlossen, dass sich ein Teil verpflichtet, den Erblasser lebenslang zu pflegen und dieser dafür den anderen vertraglich zum Erben einsetzt. Ein solcher Vertrag enthält eine schuldrechtliche Verpflichtung als Gegenleistung für die Erbeinsetzung. Die Regeln über den gegenseitigen Vertrag im Sinne der §§ 320 ff. BGB finden jedoch keine Anwendung, weil die Verfügung des Erblassers keine schuldrechtliche Verpflichtung darstellt, sondern eine Verfügung von Todes wegen ist. Der Erbvertrag steht mit der Gegenleistung in einem Entgeltlichkeitszusammenhang. Man spricht von einem "synallagmatischen Vertrag ohne obligatorischen Charakter". Die eingegangene Verpflichtung zur Gegenleistung ist Rechtsgeschäft unter Lebenden, das nicht Bestandteil des Erbvertrags ist.
Rz. 486
Übernimmt der Vertragspartner keine Gegenleistung für die letztwillige Zuwendung, so spricht man von einem unentgeltlichen Erbvertrag. Die rechtliche Konstruktion der Verbindung von Erbvertrag und Vereinbarung über die Gegenleistung kann erfolgen als
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gegenseitige Bedingung, |
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Zweckvorgabe im Sinne von § 812 Abs. 1 S. 2 Hs. 2 BGB, |
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Vereinbarung eines Gesamtrechtsgeschäfts, das bei Teilunwirksamkeit insgesamt unwirksam wird gemäß § 139 BGB. |
Sind im Erbvertrag keine eindeutigen Regeln zu diesem Fragenkreis getroffen, so ist der entsprechende Wille der Vertragsparteien durch Auslegung zu ermitteln. Die Praxis neigt am ehesten zur Anwendung von § 139 BGB.
b) Zweiseitiger oder mehrseitiger Erbvertrag
Rz. 487
Der Vorteil des Erbvertrags besteht u.a. darin, dass nicht nur ein Vertragspartner Verfügungen von Todes wegen zu treffen braucht, sondern dass auch zwei oder mehr Vertragspartner ihrerseits Verfügungen von Todes wegen treffen können. Am häufigsten ist der zweiseitige Erbvertrag, der unter Ehegatten geschlossen wird. Er gewinnt auch zunehmende Bedeutung für geschiedene Ehegatten, die sicherstellen wollen, dass gemeinsame Vermögensgegenstände, insbesondere Immobilien, im Erbgang an gemeinschaftliche Kinder gehen. Sie wollen damit erreichen, dass gemeinsam erarbeitetes Vermögen nicht an Dritte, insbesondere nicht an einen neuen Ehepartner und Kinder aus einer neuen Ehe, fällt. Erbverträge solcher Art können zusammen mit einer Scheidungsfolgenvereinbarung geschlossen werden und erleichtern nicht selten eine einvernehmliche Regelung bezüglich der Scheidungsfolgen. Auch eine erbvertragliche Regelung in einem gerichtlichen (Scheidungs-)Vergleich ist möglich, weil die gerichtliche Protokollierung die notarielle Beurkundung ersetzt, § 127a BGB; bei Anwaltszwang unter Mitwirkung des Anwalts. Vgl. Formulierungsbeispiel bei Tanck/Krug, § 24 Rn 12.
Allerdings ist zu beachten, dass in den Fällen, in denen ein Erbvertrag bspw. mit einer Scheidungsvereinbarung verbunden wird, die Gesamtvereinbarung den strengen Formvorschriften des Erbvertrags unterworfen ist.
Rz. 488
Wird der Erbvertrag äußerlich mit einem anderen Rechtsgeschäft verbunden, so verlieren die einzelnen Rechtsgeschäfte dadurch ihre Selbstständigkeit nicht. Ein Ehe- und Erbvertrag ist eine Verbindung eines Ehevertrags, der die güterrechtlichen Verhältnisse regelt (§§ 1408, 2276 Abs. 2 BGB), mit einem Erbvertrag unter Ehegatten. Beide Vertragstypen bleiben selbstständig; der Ehevertrag ist ein Rechtsgeschäft unter Lebenden, der Erbvertrag eine Verfügung von Todes wegen. Beide Verträge sollten getrennt beurkundet werden (§ 111 Nr. 1 und 2 GNotKG), soweit die Parteien sie nicht als rechtliche Einheit sehen. Andernfalls kann der Erbvertrag nicht mehr aus der amtlichen Verwahrung genommen werden (§ 2300 Abs. 2 S. 1 BGB).