Dr. iur. Tobias Spanke, Walter Krug
Rz. 425
Beim Anfechtungsverzicht im gegenseitigen Testament geht es um die Frage der Beseitigung der Bindungswirkung durch Selbstanfechtung eines Ehegatten und um das Anfechtungsrecht Dritter. Die eigene wechselbezügliche Verfügung, die erst nach dem Tod des Erstversterbenden bindend geworden ist, kann in analoger Anwendung der §§ 2281 ff., §§ 2078, 2079 BGB selbst angefochten werden.
Rz. 426
Bei gegenseitigen Testamenten (und Erbverträgen) ist im Gegensatz zu den Anfechtungsrechten nach §§ 119 ff. BGB auch eine Anfechtung wegen Motivirrtums (§ 2078 Abs. 2 BGB) und sogar hinsichtlich unbewusster Erwartungen nach den dafür geltenden Sonderregelungen der §§ 2078 bis 2083 BGB möglich.
Rz. 427
Das Selbstanfechtungsrecht des Ehegatten und das Anfechtungsrecht Dritter kann aber in der gegenseitigen Verfügung von Todes wegen ausgeschlossen werden.
Rz. 428
Häufig empfiehlt sich ein Ausschluss der Anfechtungsmöglichkeit wegen Hinzutretens weiterer Pflichtteilsberechtigter gemäß § 2079 BGB. Nach § 2079 BGB kann eine letztwillige Verfügung angefochten werden, wenn der Erblasser einen Pflichtteilsberechtigten übergangen hat, dessen Vorhandensein ihm nicht bekannt war oder der erst nach Errichtung der Verfügung von Todes wegen pflichtteilsberechtigt wurde. Dies gilt insbesondere auch für die Fälle, in denen der längerlebende Ehegatte ein Kind adoptiert oder eine neue Ehe eingeht.
Insbesondere bei jüngeren Ehepartnern ist allerdings kritisch zu hinterfragen, ob ein Anfechtungsverzicht dem Willen der Beteiligten entspricht. Verstirbt beispielsweise ein Ehepartner nach fünf Jahren Ehe und geht der andere Ehegatte eine zweite Ehe ein, die 30 Jahre Bestand hat, bedeutet es regelmäßig eine unverhältnismäßige (und von den Testierenden auch nicht gewünschte) Härte, dem längerlebenden Ehegatten die gesetzlichen Möglichkeiten zu verschließen, sich von den mit dem ersten Ehepartner getroffenen Bestimmungen wieder zu lösen. Die Problematik ist daher für den jeweiligen Einzelfall gesondert zu erörtern (zur Anfechtung vgl. auch § 10 Rdn 324 ff.).
Rz. 429
Formulierungsbeispiel: Anfechtungsverzicht
Sämtliche für den ersten und zweiten Todesfall getroffenen Verfügungen erfolgen unabhängig davon, ob bzw. welche Pflichtteilsberechtigten bei Tod eines jeden von uns vorhanden sind. Die in unserem Testament getroffenen Verfügungen sollen insbesondere auch dann wirksam sein, wenn sich der überlebende Ehegatte wieder verheiratet. Wir verzichten hiermit für den ersten und den zweiten Todesfall auf das uns gemäß § 2079 BGB zustehende Anfechtungsrecht wegen Übergehung eines Pflichtteilsberechtigten. Insoweit ist auch ein Anfechtungsrecht Dritter ausgeschlossen.