Rz. 79

Ist eine Ersatzerbenregelung nicht getroffen, so kommt es eventuell zur Anwendung der gesetzlichen Auslegungsvorschrift des § 2069 BGB. Hat der Erblasser einen seiner Abkömmlinge bedacht und fällt dieser nach der Errichtung des Testaments weg, so ist im Zweifel anzunehmen, dass dessen Abkömmlinge insoweit bedacht sind, als sie bei der gesetzlichen Erbfolge an dessen Stelle treten würden (§ 2069 BGB).

Diese Vermutungsregel gilt auch für Vermächtnisse und Auflagen.[131] Die Auslegung im Einzelfall ist aber grundsätzlich vorrangig.[132] Als "Abkömmlinge" gelten auch nichteheliche bzw. adoptierte Kinder.[133] Aus diesem Grund ist der ausdrückliche Ausschluss nichtehelicher bzw. adoptierter Kinder bei der Ersatzerbenberufung zu empfehlen, falls eine gegenteilige Vermutung nicht gewünscht sein sollte. Bei einem gemeinschaftlichen Testament reicht es aus, wenn der Bedachte ein Abkömmling des Erstversterbenden ist.[134]

 

Rz. 80

Streitig ist, ob ein Wegfall des Erstberufenen mit der Wirkung des Eintritts der vermuteten Ersatzerbenberufung gemäß § 2069 BGB vorliegt, wenn der Erstberufene die Erbschaft ausschlägt, um den Pflichtteil zu verlangen.

 

Rz. 81

Der BGH vertritt die Ansicht, dass hier kein Wegfall vorliegt, da ohne erkennbare gegenteilige Absicht des Erblassers nicht anzunehmen sei, dass dieser den Stamm des Ausschlagenden, der ja seinen Pflichtteil als Ersatzstück seines Erbrechts erhält, durch Aufrechterhaltung der Ersatzerbfolge doppelt berücksichtigen wollte.[135]

 

Rz. 82

Eine andere Auffassung hält § 2069 BGB auch hier für anwendbar, da ein unbilliges Ergebnis dadurch vermieden werde, dass gemäß § 2320 Abs. 2, 1 BGB die nachrückenden Abkömmlinge im Innenverhältnis den Pflichtteilsanspruch des Ausschlagenden zu tragen haben.[136]

 

Rz. 83

 

Hinweis

Problematisch ist der Fall, in dem ein erstberufener Erbe die Erbschaft ausschlägt, um seinen Pflichtteil zu verlangen, und dies dann zur Folge hat, dass infolge der Ersatzerbeinsetzung trotzdem der Stamm des Ausschlagenden Erbe wird, allerdings belastet mit der Pflichtteilslast gemäß § 2320 Abs. 2 BGB. Dies dürfte dem Willen des Erblassers grundsätzlich nicht entsprechen. Eine Möglichkeit, dies zu verhindern, besteht in der Verwendung der sogenannten Verwirkungsklausel, die für diesen Fall die Enterbung des ganzen Stammes des Ausschlagenden vorsieht.[137]

 

Rz. 84

§ 2069 BGB kommt auch nicht zur Anwendung, wenn ein Erbverzicht gegen volle Abfindung erklärt wurde.[138]

[131] MüKo/Leipold, § 2069 Rn 3.
[132] Vgl. OLG München ZEV 2009, 239 mit Anm. Dietz.
[133] Palandt/Weidlich, § 2069 Rn 3.
[134] BayObLG NJW-RR 1991, 8, 9.
[135] BGHZ 33, 60.
[136] So z.B. MüKo/Leipold, § 2069 Rn 13 m.w.N.
[137] Siehe hierzu etwa Brambring/Mutter/Kleensang, Formulare Erbrecht, C VI 5 (mit Formulierungsvorschlag).
[138] BGH NJW 1974, 43; vgl. auch OLG München ZErb 05, 379.

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