Dr. iur. Tobias Spanke, Walter Krug
Rz. 454
Bei der Einheitslösung besteht im Unterschied zur Vor- und Nacherbschaft keine Trennung zwischen dem Vermögen des Erstversterbenden und dem Vermögen des noch lebenden Ehegatten. Beide Vermögensgegenstände verschmelzen im Zeitpunkt des ersten Todesfalls zu einer Vermögensmasse.
Rz. 455
Gestaltet man die Wiederverheiratungsklausel lediglich dahingehend, dass "im Falle der Wiederverheiratung der Nachlass des Erstversterbenden an die Schlusserben herauszugeben ist", dann wird dies von der herrschenden Meinung so ausgelegt, dass der überlebende Ehegatte ab dem Tod des Erstversterbenden durch die Wiederheirat sowohl auflösend bedingter Vollerbe als auch aufschiebend bedingter Vorerbe ist. Eine solche Formulierung verwandelt somit die Einheitslösung in die Trennungslösung.
Rz. 456
Auch wenn eine durch die Wiederverheiratung auflösend bedingte Vollerbschaft wie auch eine aufschiebend bedingte Vor- und Nacherbschaft theoretisch möglich ist, sollte diese Gestaltung aus Gründen der Rechtssicherheit sowie der Praktikabilität möglichst vermieden werden. Es besteht nämlich bei einer solchen Umwandlung das Problem, dass die bis zur Wiederverheiratung getätigten Verfügungen als Vollerbe erfolgten, während ab diesem Zeitpunkt eine von Anfang an geltende (rückwirkende) Vorerbschaft angenommen wird. Nach überwiegender Meinung wird zur Abschwächung dieses Problems aufgrund der in § 2103 BGB zum Ausdruck gekommenen Grundsatzentscheidung des Gesetzgebers in solchen Fällen eine (regelmäßig befreite) Vorerbschaft angenommen und die Vorerbenstellung ist in Grundbuch und Erbschein zu vermerken.
Verfassungsrechtlich dürfte eine derartige Regelung zudem dann bedenklich sein, wenn der Nacherbfall sogleich mit der Wiederverheiratung eintreten soll (vgl. oben Rdn 452).
Rz. 457
Bei der Formulierung der Wiederverheiratungsklausel in Form eines Geldvermächtnisses ist wiederum darauf zu achten, dass der überlebende Ehegatte im Falle der Wiederverheiratung keinem akuten Liquiditätsbedarf ausgesetzt ist und ihm zumindest der Wert seines Pflichtteils verbleibt. Der wirtschaftliche Druck kann insbesondere durch die Einräumung der Möglichkeit großzügiger Ratenzahlungen oder Stundung der Zahlungsverpflichtung bei dinglicher Sicherung abgemildert werden.
Rz. 458
Um nicht rückwirkend die Höhe des Nachlasses ermitteln zu müssen, kann zum Zeitpunkt des Todes des Erstversterbenden die Aufstellung eines Nachlassverzeichnisses sowie eine Wertermittlung ermöglicht werden, indem man den Abkömmlingen bereits nach dem Tod des Erstversterbenden im Wege des Vermächtnisses entsprechende Ansprüche zukommen lässt oder einen Testamentsvollstrecker damit beauftragt. Ausdrücklich geregelt werden sollte, wer die Kosten der Wertermittlung zu tragen hat. Da die Abkömmlinge damit ihre aufschiebend bedingten zukünftigen Ansprüche sichern möchten, erscheint es sachgerecht, sie auch die Kosten tragen zu lassen,
Rz. 459
Formulierungsbeispiel: Wiederverheiratungsklausel in Form des Geldvermächtnisses
Der längerlebende Ehegatte soll im Falle einer Wiederverheiratung einen Erb- und Pflichtteilsverzichtsvertrag schließen, durch welchen der neue Partner bzw. die neue Partnerin auf sein/ihr gesetzliches Erb- und Pflichtteilsrecht verzichtet.
Für den Fall, dass der überlebende Ehegatte sich wieder verheiratet, ohne einen Erb- und Pflichtteilsverzichtsvertrag zu schließen und er dies auch nicht innerhalb von drei Monaten nach schriftlicher Aufforderung eines unserer gemeinsamen Abkömmlinge (Zugang entscheidend) nachholt, hat er an unsere gemeinsamen Abkömmlinge Geldvermächtnisse entsprechend ihren gesetzlichen Erbteilen erster Ordnung neben ihm, wenn der Erstverstorbene erst zum Zeitpunkt der Wiederverheiratung gestorben wäre, berechnet aus dem Wert des reinen Nachlasses des Erstversterbenden zum Zeitpunkt des Erbfalls auszuzahlen. Der reine Nachlass bestimmt sich nach den Grundsätzen des § 2311 Abs. 1 BGB.
Die Vermächtnisse sind innerhalb von zwölf Monaten nach Ablauf der vorgenannten Drei-Monats-Frist fällig und bis dahin unverzinslich.
Macht einer unserer Abkömmlinge oder einer seiner weggefallenen Vorfahren Pflichtteilsansprüche auf Ableben des Erstversterbenden in Verzug begründender Weise geltend, dann steht ihm im Falle der Wiederverheiratung kein Vermächtnisanspruch zu bzw. entfällt der Vermächtnisanspruch in Bezug auf diesen Abkömmling.
Zum Zwecke der Feststellung des Wertes des reinen Nachlasses des Erstversterbenden erhalten unsere Abkömmlinge vermächtnisweise das Recht, nach dem Tod des Erstversterbenden dessen Nachlass durch den Längerlebenden verzeichnen und schätzen zu lassen; durch eine Wertermittlung anfallende Kosten haben die Vermächtnisnehmer selbst zu tragen.
Für den Fall, dass die Wiederverheiratungsklausel in Kraft tritt, soll entgegen jeder gesetzlichen oder richterlichen Vermutungs- und Auslegungsregel die Wechselbezüglichkeit und Bindungswirkung in Bezug auf die Verfügungen des überlebenden Ehegatten bestehen bleiben.