Dr. iur. Tobias Spanke, Walter Krug
(1) Zu Lebzeiten beider Vertragspartner
Rz. 575
Die Rücktrittserklärung bedarf der notariellen Beurkundung, § 2296 Abs. 2 BGB; sie ist gegenüber dem anderen Vertragsteil zu erklären. Die Erklärung muss höchstpersönlich abgegeben werden.
Ist der andere Vertragsteil geschäftsunfähig und gehört zum Aufgabenkreis eines für ihn bestellten Betreuers die Vermögenssorge, so kann der Rücktritt von einem Erbvertrag auch gegenüber dem Betreuer erklärt werden. Die ganz herrschende Auffassung in Rechtsprechung und Literatur geht davon aus, dass ein Rücktritt auch im Falle der Geschäftsunfähigkeit des anderen Vertragsteils möglich ist, dann aber gem. § 131 BGB dem gesetzlichen Vertreter des Geschäftsunfähigen zugehen muss, um wirksam zu werden. Ist der zurücktretende Ehegatte zugleich zum Betreuer des anderen Ehegatten bestellt, dürfte wegen §§ 181, 1795 Abs. 1 Nr. 1, 1908 BGB ein Vertretungsausschluss bestehen, so dass für die Empfangnahme des Widerrufs ein Ergänzungsbetreuer nach § 1899 Abs. 4 BGB bestellt werden muss.
Rz. 576
Das Landgericht Leipzig lässt es genügen, wenn der Widerruf dem Generalbevollmächtigten des anderen Ehegatten zugeht:
Ist der widerrufende Ehegatte zugleich der Generalbevollmächtigte des anderen, so bleibt zweifelhaft, ob der Widerrufende auch die Erklärung für den anderen entgegennehmen kann, selbst wenn er von § 181 BGB befreit ist. Eine Betreuerbestellung erscheint empfehlenswert.
Rz. 577
Formulierungsbeispiel: Rücktritt des Erblassers vom einseitigen Erbvertrag
Notarielle Urkundenformalien
Es erscheint Herr (...).
Er ist nach der Überzeugung des Notars zweifelsfrei geschäftsfähig. Sodann erklärt er folgenden
Rücktritt von einem Erbvertrag
I. Vorwort
In der Urkunde des Notars (...) in (...) vom (...) habe ich unter UR-Nr. (...) mit Frau (...) einen Erbvertrag errichtet, wonach sich Frau (...) zu Dienstleistungen mir gegenüber verpflichtet hat und ich ihr ein Wohnungsrechtsvermächtnis zugewandt habe.
Frau (...) ist seit längerer Zeit krank und kann seit (...) die Dienstleistungen nicht mehr erbringen. Unter diesen Voraussetzungen bin ich berechtigt, nach Ziff. (...) der bezeichneten Urkunde vom Erbvertrag zurückzutreten.
II. Rücktrittserklärung
Hiermit trete ich von dem in Ziff. I bezeichneten Erbvertrag in vollem Umfang zurück. Der beurkundende Notar bzw. sein jeweiliger Vertreter im Amt wird hiermit beauftragt, Frau (...) eine Ausfertigung dieser Rücktrittserklärung durch den zuständigen Gerichtsvollzieher zustellen zu lassen.
Diese Niederschrift wurde vom Notar dem Anwesenden vorgelesen, von ihm genehmigt und sodann von ihm und dem Notar unterschrieben.
Hinweis
Der Rücktritt muss dem anderen Vertragsteil in Ausfertigung zugehen, beglaubigte Abschrift reicht nicht. Dies ist zu überwachen.
(2) Nach dem Tod des Vertragspartners
Rz. 578
Wie das vorbehaltene oder gesetzlich gewährte Rücktrittsrecht vom Erbvertrag zu Lebzeiten des Vertragspartners ausgeübt wird, regelt § 2296 BGB (vgl. oben Rdn 575 ff.). Nach dem Tod des Vertragspartners übt der Erblasser beim einseitigen Erbvertrag sein Rücktrittsrecht durch Testament aus, § 2297 BGB. Ist der Erblasser ebenfalls gestorben, so ist der Rücktritt ausgeschlossen.
Rz. 579
Beim einseitigen Erbvertrag erlischt das vorbehaltene oder gesetzliche Rücktrittsrecht durch den Tod des Vertragspartners grundsätzlich nicht – es sei denn, die Vertragsparteien hätten etwas anderes vereinbart. Mit der Zulassung des Testaments als Form der Ausübung des Rücktrittsrechts wird die Empfangsbedürftigkeit der Rücktrittserklärung beseitigt. Der Rücktritt erfolgt nicht etwa durch Erklärung gegenüber den Erben des verstorbenen Vertragspartners. Im Rahmen des § 2297 BGB gelten die allgemeinen Testamentsformen.
Rz. 580
Für den zweiseitigen oder mehrseitigen Erbvertrag ist die gesetzliche Vermutung umgekehrt: Mit dem Tod des/der anderen Vertragschließenden erlischt das Rücktrittsrecht, § 2298 Abs. 2 S. 2 BGB, sofern die Vertragsparteien nichts anderes vereinbart haben, § 2298 Abs. 3 BGB.
Rz. 581
Aber auch beim zweiseitigen oder mehrseitigen Erbvertrag eröffnet sich der überlebende Vertragspartner das Recht zum Rücktritt nach dem Tod eines (Erblasser-)Vertragspartners (vom Gesetz in § 2298 Abs. 2 S. 3 BGB "Aufhebung" genannt), wenn er das "ihm durch den Vertrag Zugewendete ausschlägt." Diese Art des – auch konkludent möglichen –...