Dr. iur. Tobias Spanke, Walter Krug
Rz. 586
Beispiel
Mutter M und Tochter T schließen einen Erbvertrag, wonach M ihre Tochter T in vertraglich bindender Weise und ohne Rücktrittsvorbehalt zur Alleinerbin einsetzt. Die Tochter T hat sich im Gegenzug zur Zahlung einer wertgesicherten Leibrente an M verpflichtet. Außerdem sollte die Leibrente durch Eintragung einer Reallast auf einem Gebäudegrundstück der Tochter T gesichert werden. Letzteres ist unterblieben. Die aufgrund der Wertsicherung zu zahlenden erhöhten Beträge wurden nie geleistet, vielmehr wurden immer nur die Renten-Grundbeträge bezahlt. Seit einem halben Jahr wird von T keinerlei Zahlung mehr an M erbracht. Kann M von dem Erbvertrag zurücktreten?
Rz. 587
Der Erblasser kann nach § 2295 BGB von einer vertragsmäßigen Verfügung von Todes wegen zurücktreten, wenn die Verfügung mit Rücksicht auf eine rechtsgeschäftliche Verpflichtung des Bedachten, dem Erblasser für dessen Lebenszeit wiederkehrende Leistungen zu erbringen, getroffen ist und die Verpflichtung vor dem Tod des Erblassers aufgehoben wird.
(1) Voraussetzungen für einen Rücktritt vom Erbvertrag
Rz. 588
Voraussetzung für ein Rücktrittsrecht aus § 2295 BGB ist, dass die Verpflichtung des erbvertraglich Bedachten einen Beweggrund für die getroffene Verfügung von Todes wegen darstellt. Die weitere in § 2295 BGB genannte Voraussetzung ist die Aufhebung der Rentenzahlungsverpflichtung. Der Begriff der Aufhebung wird von der h.M. so verstanden, dass jeder nachträgliche Wegfall der Leistungsverpflichtung (§ 275 Abs. 1 BGB), aus welchem Rechtsgrund auch immer, zu verstehen ist.
Weil die Rentenzahlung in der Vergangenheit nur teilweise – ohne die wertgesicherte Anpassungserhöhung – erfolgt und jetzt ganz ausgeblieben ist und außerdem die vereinbarte Sicherheit nicht gestellt wurde, könnte der M ein Rücktrittsrecht nach § 326 BGB zustehen. Wobei es allerdings h.M. ist, dass erbvertragliche Verfügung einerseits und Leistungsverpflichtung andererseits nicht in einem synallagmatischen Verhältnis zueinander stehen, weil das eine eine Verfügung von Todes wegen ist, das andere hingegen eine Verpflichtung unter Lebenden. Nach anderer Meinung liegt – ähnlich dem dinglich wirkenden – Erbverzicht auch dem Erbvertrag ein Grundvertrag zugrunde, bei dem die Verpflichtung zur Erbeinsetzung und die Zahlungsverpflichtung in einem synallagmatischen Verhältnis zu einander stünden.
Rz. 589
Eine analoge Anwendung von § 325 BGB bei Leibrentenverträgen haben das Reichsgericht und das OLG Hamburg bejaht. Anderer Meinung ist das OLG Celle. Die Entscheidung dieser Streitfrage kann jedoch für den vorliegenden Fall dahingestellt bleiben. Im Falle des Verzugs kann der Gläubiger aus der Rentenzahlungsverpflichtung Schadensersatz wegen Nichterfüllung nach §§ 280 Abs. 2, 286 BGB bzw. analog § 325 BGB verlangen. Spätestens nach dem Wegfall der Zahlung kann der M das Festhalten an dem Vertrag nicht mehr zugemutet werden.
Rz. 590
Rücktrittsrecht des Erblassers vom gegenseitigen Vertrag und vom Erbvertrag:
Ist mit einem Erbvertrag, durch den der Erblasser den Bedachten zum Erben bestimmt, ein gegenseitiger Vertrag unter Lebenden verbunden, in dem der Bedachte sich zum Erbringen von Pflegeleistungen verpflichtet und der Erblasser weitere Verpflichtungen übernimmt, z.B. keine Veräußerung oder Belastung seines Hausgrundstücks zu Lebzeiten, so kann Letzterer wegen unterbliebener Pflegeleistungen gemäß § 323 BGB von diesem Vertrag und zugleich nach § 2295 BGB vom Erbvertrag zurücktreten. Ein derartiger Rücktritt kommt erst dann in Betracht, wenn der Erblasser den Bedachten unter Fristsetzung zuvor vergeblich aufgefordert hat, die im Einzelnen zu bezeichnenden Pflegeleistungen zu erbringen.
Nach § 2295 BGB kann der Erblasser von einer vertragsmäßigen Verfügung zurückzutreten, wenn die Verfügung mit Rücksicht auf eine rechtsgeschäftliche Verpflichtung des Bedachten, dem Erblasser für dessen Lebenszeit wiederkehrende Leistungen zu entrichten, insbesondere Unterhalt zu gewähren, getroffen ist und die Verpflichtung vor dem Tod des Erblassers aufgehoben wird. Grundsätzlich finden die Regelungen über gegenseitige Verträge nach §§ 320 ff. BGB, insbesondere über den Rücktritt nach § 323 BGB, auf Erbverträge keine Anwendung, da es am Gegenseitigkeitsverhältnis zwischen der erbrechtlichen Verfügung und der übernommenen Verpflichtung des Vertragserben fehlt. Es liegt aber dann ein gegenseitiger Vertrag vor, wenn der Erbvertrag nicht nur eine Erbeinsetzung einerseits und die Pflegeverpflichtung des Bedachten andererseits enthält, sondern der Erblasser weiter die Verpflichtung übernommen hat, sein Hausgrundstück nicht zu veräußern und zu belasten. Zu deren Absicherung können die Vertragsparteien bei Verstoß eine Pflicht zur sofortigen unentgeltlichen Übereignung in den Vertrag aufnehmen und diese zugunsten des Bedachten durch eine Vormerkung absichern lassen. Diese Unterlassungspflicht des Erblassers sowie die Pflegepflicht des Bedachten stehen in einem Gegenseitigkeits...