Dr. iur. Tobias Spanke, Walter Krug
I. Allgemeines
Rz. 663
Die Überlastung der Gerichte und die Streitigkeiten unter den Erben führen schnell dazu, dass der Nachlass nach dem Erbfall mindestens ½ Jahr, wenn nicht länger, brach liegt und über die einzelnen Gegenstände nicht verfügt werden kann, weil entweder noch kein Erbschein vorliegt oder die Parteien im Erbscheinsverfahren streiten. Hier hilft in der Regel auch die Einsetzung eines Testamentsvollstreckers nicht weiter, da auch das Testamentsvollstreckerzeugnis häufig nicht vor Ablauf von vier bis fünf Monaten erteilt wird.
Rz. 664
Für die Zeit ab dem Erbfall bis zur Erteilung eines Erbscheins oder eines Testamentsvollstreckerzeugnisses macht es deshalb Sinn, einem Erben oder einem Dritten eine sog. postmortale Vollmacht zu erteilen, damit wenigstens die wichtigsten Dinge, wie Beerdigungskosten, Grabsteinkosten etc., beglichen werden können und zu diesem Zweck über die Konten des Erblassers verfügt werden kann.
Rz. 665
Aber auch schon zu Lebzeiten des Erblassers kann es Bedarf für eine Vorsorgevollmacht geben. Konkret heißt dies, dass beispielsweise für den Fall, dass der Erblasser noch lebt, aber geschäftsunfähig oder betreuungsbedürftig geworden ist, eine Vorsorgevollmacht vorhanden sein muss, damit nicht ein gesetzlicher Betreuer bestimmt wird, der das Vermögen möglicherweise nicht nach dem eigentlichen Willen des Erblassers verwaltet.
Rz. 666
Übersicht über Vollmachtsphasen:
II. Die postmortale Vollmacht
Rz. 667
Soll dem Beauftragten eine Vollmacht erteilt werden, so ist sowohl eine Vollmacht über den Tod hinaus (transmortale Vollmacht) als auch eine solche auf den Todesfall (postmortale Vollmacht) zulässig. In den §§ 168, 172 BGB wird lediglich die Fortgeltung einer bereits vor dem Tod des Vollmachtgebers bestehenden Vollmacht angesprochen. Grundsätzlich ist aber auch eine Vollmacht auf den Todesfall zulässig. Eine solche stellt trotz einiger Bedenken keine Gefahr der Umgehung der Bestimmungen über die Testamentsvollstreckung dar. Grundsätzlich endet die Vollmacht mit dem Grundverhältnis gemäß § 168 S. 1 BGB. Bei Fortbestehen des der Vollmacht zugrunde liegenden Rechtsverhältnisses kann die Vollmacht jedenfalls widerrufen werden, sofern sich aus dem Rechtsverhältnis selbst nichts anderes ergibt.
Rz. 668
Auch wenn durch den Tod des Erblassers grundsätzlich weder die Vollmacht selbst (§ 168 BGB) noch das zugrunde liegende Kausalverhältnis (§§ 672, 675 BGB) erlischt, ist es unbedingt ratsam, den Fortbestand der Vollmacht nach dem Tod des Vollmachtgebers ausdrücklich anzuordnen. Dies verdeutlicht eine Entscheidung des OLG München, wonach sich die Frage, ob eine Vollmacht über den Tod des Vollmachtgebers hinaus gültig bleibt, nach einer Auslegung des Auftragsverhältnisses richte und bei einer Vorsorgevollmacht regelmäßig von einem Erlöschen auszugehen sei. In diesem Zusammenhang ist ferner zu beachten, dass nach einer (in der Literatur kritisierten) Entscheidung des OLG Hamm eine Vollmacht erlösche, wenn der Bevollmächtigte Alleinerbe des Vollmachtgebers wird.
Rz. 669
Grundsätzlich bedarf die Vollmacht wegen § 167 Abs. 2 BGB nicht der Form, welche für das Rechtsgeschäft bestimmt ist, auf das sich die Vollmacht bezieht. Die Erteilung einer Vollmacht ist daher grundsätzlich formfrei möglich.
Aus Gründen der Beweissicherheit sowie einer erhöhten Akzeptanz im Rechtverkehr ist jedoch zumindest eine schriftliche Erteilung der Vollmacht und besser noch eine zusätzliche Unterschriftsbeglaubigung bzw. die notarielle Beurkundung der Vollmachtsurkunde zu empfehlen.
Für eine Veräußerung bzw. den Erwerb von Grundbesitz ist zudem § 29 GBO zu beachten, wonach die für eine Eintragung erforderlichen Erklärungen durch öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunden nachzuweisen sind. Eine Ausnahme von dem Grundsatz der Formfreiheit besteht zudem dann, wenn die Vollmachtserteilung einer bindenden Verpflichtung zur Übertragung bzw. zum Erwerb des Eigentums an einem Grundstück gleichkommt, was zu vermuten ist, wenn die Vollmacht unwiderruflich ist; dann muss sie notariell beurkundet sein. Dasselbe gilt, wenn die Vollmacht Teil eines einheitlichen formbedürftigen Rechtsgeschäfts ist.
Schließlich können sich besondere Formerfordernisse auch aus anderen Vorschriften, wie z.B. aus solchen des Handelsrechts (vgl. nur § 54 Abs. 2 HGB), ergeben.
Rz. 670
Schwierigkeiten bestehen in der Praxis bei der Auswahl des Bevollmächtigten. Hier ist darauf zu achten, dass der Bevollmächtigte eine Vertrauensperson ist und dass nicht nur das Außenverhältnis, sondern auch das zugrunde liegende Innenverhältnis (i.d.R. ein Auftragsverhältnis) sorgfältig zu regeln ist, da es ansonsten schnell zu Streit unter den Angehörigen kommt und zudem eine erhebliche Missbrauchsgefahr besteht.
Rz. 671
Der Nachteil der Vollmacht ist, dass sie seitens der Erben, und zwar von jedem einzelnen, jederzeit widerrufen werden kann. So hat j...