Rz. 320

Die Frage nach der richtigen Gestaltung einer Verfügung von Todes wegen für den Fall des Vorhandenseins behinderter Kinder wird in zunehmendem Maße aktuell.[333] Die fortwährend sich leerenden öffentlichen Kassen, gerade im Bereich der Sozialhilfe, wie auch andererseits die nicht unbeträchtlichen Vermögensmassen, die derzeit zur Vererbung in die nächste Generation anstehen, lassen dieses Thema immer brisanter werden.

 

Rz. 321

Im Sozialrecht gilt der sog. Nachranggrundsatz. Sozialhilfe erhält nur, wer sich nicht selbst helfen kann und auch nicht die erforderliche Hilfe von anderen erhält, § 2 Abs. 1 SGB XII. Selbst helfen kann sich, wer über verwertbares Einkommen gemäß § 82 SGB XII oder über einzusetzendes Vermögen gemäß § 90 SGB XII verfügt. Die sozialrechtlich Einordnung als Einkommen oder Vermögen richtet sich danach, ob der Erwerb vor (Vermögen) oder während (Einkommen) des Bedarfszeitraums erfolgt.[334] Eine Erbschaft ist daher grundsätzlich als Einkommen anzusehen, wenn der Erwerb während des laufenden Leistungsbezuges erfolgt.[335]

Als mögliche Sozialleistungen kommen Eingliederungshilfe (§§ 53 ff. SGB XII), Hilfe zur Pflege (§§ 61 ff. SGB XII) sowie ergänzend Hilfe zum Lebensunterhalt (§§ 27 ff. SGB XII) in Betracht.[336]

 

Rz. 322

Dem Sozialhilfeträger stehen zur Verwirklichung des Nachranggrundsatzes im Wesentlichen vier Möglichkeiten zur Verfügung:[337]

bei Fehlen der Bedürftigkeit kann er die Hilfe verweigern bzw. bei deren Fortfall einstellen;
er ist berechtigt, im Rahmen des § 93 Abs. 1 SGB XII Ansprüche des Leistungsberechtigten gegen Dritte auf sich überzuleiten;
gem. § 102 SGB XII kann er Kostenersatz für die in den zehn Jahren vor dem Erbfall geleitstete Sozialhilfe von dem Erben des Hilfeempfängers verlangen;
gem. § 103 SGB XII besteht darüber hinaus die Möglichkeit, Kostenersatz bei schuldhaftem Verhalten zu verlangen. Bei behinderten Menschen kommt dieser Vorschrift in der Praxis jedoch so gut wie keine Bedeutung zu.
[333] Vgl. hierzu ausführlich Dreher/Görner, NJW 2011, 1761; J. Mayer, ZErb 1999, 60 und ZErb 2000, 16 ff. und Damrau/Mayer, ZEV 2001, 293; Golpayegani/Boger, ZEV 2005, 377; Spall, MittBayNot 2001, 249; ders., in: FS 200 Jahre Notarkammer Pfalz, 2003, S. 121; Joussen, NJW 2003, 1851; van de Loo, ZEV 2006, 473.
[334] BSG ZEV 2011, 328; BeckRS 2009, 67779; Kroiß/Horn/Solomon/Bienert, § 90 SGB XII Rn 8; Ruby/Schindler/Schindler, Das Behindertentestament, § 2 Rn 15 ff.
[335] Kroiß/Horn/Solomon/Bienert, § 90 SGB XII Rn 15; vgl. auch BSG NJOZ 2012, 1711 (für Leistungen nach SGB II).
[336] Nieder/Kössinger/R. Kössinger, Testamentsgestaltung, § 21 Rn 64.
[337] Vgl. Spall, in: FS 200 Jahre Notarkammer Pfalz, 2003, S. 121, 126 f.

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