Dr. iur. Tobias Spanke, Walter Krug
Rz. 708
Mit wachsender Staatsverschuldung werden Regressansprüche des Sozialhilfeträgers in zunehmendem Maße aktueller. So sind seitens des beratenden Anwalts hinsichtlich einer lebzeitigen Übergabe, aber auch bei der testamentarischen Gestaltung oder der Beratung eines Pflichtteilsberechtigten, die möglichen (Regress-)Ansprüche eines Sozialhilfeträgers zu berücksichtigen. Eine zentrale Bedeutung hat diese Frage insbesondere beim Übergabevertrag, da hier der Übergeber nicht selten fast sein gesamtes Vermögen weggibt.
Rz. 709
Zu unterscheiden sind der Sozialhilferegress im Hinblick auf eine Bedürftigkeit des künftigen Erblassers zu dessen Lebzeiten (§ 93 Abs. 1 SGB XII, § 528 BGB), die Überleitung von Erb- und Pflichtteilsansprüchen eines Sozialhilfebedürftigen und die Inanspruchnahme des Erben nach den Grundsätzen der selbstständigen Erbenhaftung (§§ 102, 103 SGB XII).
I. § 528 BGB, § 93 Abs. 1 SGB XII: Überleitung des Rückforderungsanspruchs des Schenkers auf den Sozialhilfeträger
1. Allgemeines
Rz. 710
Eine typische Beratungssituation in der Praxis ist der Fall, dass der Schenker (Erblasser) in ein Pflegeheim kommt und nicht alle Kosten von der Pflegeversicherung übernommen werden. Gemäß § 93 Abs. 1 SGB XII kann der Sozialhilfeträger den Rückforderungsanspruch des Schenkers (§ 528 BGB) gegenüber dem Beschenkten auf sich überleiten. Dies ist auch nach dem Tod des sozialhilfebedürftig gewordenen Schenkers möglich. Voraussetzung ist allerdings, dass der Rückforderungsanspruch besteht. Stirbt der Beschenkte vor Verarmung des Schenkers, dann richtet sich der Rückforderungsanspruch gegen die Erben.
2. Die Rückforderung nach § 528 BGB
Rz. 711
Grundsätzlich richtet sich die Rückabwicklung einer schenkweisen Übergabe nach den §§ 346 ff. BGB bzw. nach Bereicherungsrecht und erscheint daher praktisch fast ausgeschlossen, wenn das Vertragsobjekt durch vom Übernehmer zwischenzeitlich bestellte Grundpfandrechte in erheblichem Umfang belastet ist oder der Übernehmer erhebliche Aufwendungen getätigt hat, die ihm dann anlässlich der Rückübereignung zu ersetzen sind.
Rz. 712
Diese Problematik stellt sich jedoch bei § 528 BGB nicht in dieser Weise, da es insoweit nicht zu einer Rückabwicklung, sondern zu einer laufenden Ablösezahlung des Wertes der Schenkung kommt. Der Rückforderungsanspruch wird also auf regelmäßig wiederkehrende Leistungen nach dem Bedarfsdeckungsprinzip beschränkt.
Rz. 713
Im Einzelnen setzt § 528 BGB voraus, dass eine nach § 518 BGB vollzogene Schenkung und ein Notbedarf vorliegen. Nicht notwendig ist, dass die Schenkung kausal für den Notbedarf war. Das heißt, der Anspruch besteht unabhängig davon, wer die Notlage verursacht hat. Er erlischt auch nicht mit dem Tod des Schenkers, wenn er vorher geltend gemacht oder abgetreten wurde. Nach Ansicht des OLG Köln kann ein auf den Sozialhilfeträger überleitbarer Rückforderungsanspruch gemäß § 528 BGB auch dann entstehen, wenn die Schenkung durch eine Erbengemeinschaft bewirkt worden ist, an welcher der Sozialhilfeempfänger beteiligt ist. Der Anspruch stehe dann nicht der Erbengemeinschaft zu, sondern dem hilfebedürftigen Miterben, und sei auf Wertersatz in Höhe seines Vermögensverlustes gerichtet.
Rz. 714
Der Herausgabeanspruch richtet sich nach den Vorschriften über die ungerechtfertigte Bereicherung (vgl. § 528 Abs. 1 S. 1 BGB). Ist die geleistete Sozialhilfe niedriger als der Wert des Geschenkes, so kommt nur ein Anspruch auf anteiligen Wertersatz in Betracht. Handelt es sich, wie bei der Schenkung von Grundstücken, um unteilbare Gegenstände, dann kann gemäß § 818 Abs. 2 BGB lediglich Wertersatz für denjenigen Teil der Schenkung verlangt werden, der wertmäßig zur Deckung des Unterhaltsbedarfs zwar ausreichend wäre, dessen Herausgabe aber infolge Unteilbarkeit des Grundstücks unmöglich ist. Somit richtet sich der Anspruch in einem solchen Fall nur auf Zahlung des Betrags in Höhe des der Bedürftigkeit des Schenkers entsprechenden Wertanteils des Geschenkes.
Rz. 715
In einer Beratungssituation, in der ein Mandant hinsichtlich des Übergabevertrags einen Rat einholt, wie er seinen Abkömmlingen diesbezüglich eine "sichere Übertragung" gewährleisten kann, ist auf dieses Problem unbedingt einzugehen. Hierbei ist zu beachten, dass der Anspruch aus § 528 BGB dem Unterhaltsanspruch des Schenkers vorgeht. Dies ist insofern von Bedeutung, als sich das Sozialamt zunächst an den Beschenkten halten muss. Erst danach sind beispielsweise weichende Abkömmlinge aufgrund ihrer Unterhaltspflicht in Anspruch zu nehmen.
Rz. 716
Beispiel
Erblasser E hat zu Lebzeiten auf Kind K1 übertragen. Die Kinder K2 und K3 haben keine Abfindungszahlungen erhalten. Nach der Übertragung verarmt der Schenker. Das Sozialamt muss sich nun nach § 528 BGB, § 93 Abs. 1 SGB XII, obwohl die Abkömmlinge insgesamt unterhaltspflichtig sind, zunächst an den beschenkten Abkömmling K1 halten und von ihm Ersatz verlangen.
Rz. 717
Ein Rückforderungsanspruch kann auch nicht dadurch umgangen werden, dass der Beschenkte den Gegenstand une...