Dr. iur. Tobias Spanke, Walter Krug
1. EuErbVO
Rz. 611
Am 17.8.2012 ist die Europäische Erbrechtsverordnung in Kraft getreten, die unmittelbare Wirkung entfaltet (Art. 288 AEUV). Seitdem dürfen keine der Verordnung entgegenstehenden nationalen Gesetze verabschiedet werden. Bilaterale Abkommen von Mitgliedstaaten mit Drittstaaten bleiben gegenüber der neuen Verordnung allerdings weiterhin vorrangig (Art. 75 Abs. 1 EuErbVO). Dies wird als eine der Schwächen der EuErbVO angesehen.
In Deutschland ist in Bezug auf die EuErbVO am 17.8.2015 das Gesetz zum internationalen Erbrecht und zur Änderung von Vorschriften zum Erbschein sowie zur Änderung sonstiger Vorschriften in Kraft getreten.
Rz. 612
Während sich nach Art. 25 Abs. 1 EGBGB a.F. das materielle Erbrecht (Erbstatut) noch nach der Staatsangehörigkeit des Erblassers im Zeitpunkt seines Todes gerichtet hat, ist nunmehr gemäß Art. 21 Abs. 1 EuErbVO grundsätzlich der letzte gewöhnliche Aufenthalt des Erblassers entscheidend. Laut einer älteren Entscheidung des EuGH ist unter dem gewöhnlichen Aufenthalt der Ort zu verstehen, der Ausdruck einer gewissen sozialen und familiären Integration ist. Hierfür seien insbesondere die Dauer, die Regelmäßigkeit und die Umstände des Aufenthalts in einem Mitgliedsstaat sowie die Gründe für diesen Aufenthalt maßgebend. Es sei Sache des nationalen Gerichts, unter Berücksichtigung aller tatsächlichen Umstände des Einzelfalls den gewöhnlichen Aufenthalt festzustellen.
Problematisch wird die Zuordnung des gewöhnlichen Aufenthaltes etwa beim Auseinanderfallen von Wohn- und Arbeitsort, bei Grenzpendlern und geschäftsunfähigen Erblassern sowie beim doppelten Wohnsitz. In solchen Fällen ist für die Beurteilung maßgeblich auf die tatsächlichen Umstände abzustellen.
2. Erbrechtliche Rechtswahl
a) Beschränkte Zulässigkeit der Rechtswahl
Rz. 613
Dem Erblasser steht es nach der EuErbVO frei, seinen gesamten Nachlass (eine gegenständlich beschränkte Rechtswahl ist indes nicht mehr möglich) durch Rechtswahl dem Recht des Staates zu unterwerfen, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt, Art. 22 Abs. 1 EuErbVO. Dabei ist es auch möglich, das Erbrecht eines Nicht-EU-Staates zu wählen. Vielseitige erbrechtliche Gestaltungsmöglichkeiten bieten sich bei Ehepartnern mit unterschiedlichen Staatsangehörigkeiten bzw. Erblassern mit mehrfacher Staatsangehörigkeit, was allerdings einen erhöhten Beratungsbedarf erfordert.
Rz. 614
Unter Ehegatten, von denen einer eine ausländische Staatsangehörigkeit besitzt, empfiehlt es sich, die gewünschte Rechtswahl bezüglich des Güterrechts einerseits (Art. 14, 15 EGBGB) und des Erbrechts andererseits (Art. 25 Abs. 3 EuErbVO) in einem Ehe- und Erbvertrag zu treffen.
b) Form und Inhalt
Rz. 615
Die Rechtswahl ist grundsätzlich ausdrücklich vorzunehmen, Art. 22 Abs. 2 EuErbVO. Eine stillschweigende Rechtswahl ist zwar möglich, allerdings nicht empfehlenswert, da im Einzelfall geurteilt werden muss und die Kriterien unklar sind. Sie kann jederzeit geändert oder widerrufen werden. Zu beachten ist jedoch, dass ein Widerruf dazu führt, dass in diesem Fall wieder das Recht des gewöhnlichen Aufenthaltsortes maßgeblich ist.
(Zum Internationalen Privatrecht und zu den Einzelheiten der EuErbVO siehe § 33).
3. Grundsätze des Internationalen Güterrechts
a) Grundsatz: Ehewirkungsstatut = Güterrechtsstatut
Rz. 616
Nach Art. 15 Abs. 1 EGBGB unterliegen die güterrechtlichen Wirkungen einer Ehe grundsätzlich dem bei der Eheschließung für die allgemeinen Wirkungen der Ehe maßgebenden Recht. Dieses Abstellen auf den Zeitpunkt der Eheschließung bewirkt eine Fixierung des Güterrechtsstatuts, so dass, selbst wenn sich das Ehewirkungsstatut ändert, das Güterrechtsstatut sich nicht wandeln kann ("Versteinerungsgrundsatz des Güterrechts").
Staatsverträge auf dem Gebiet des Ehegüterrechts sind für die Bundesrepublik Deutschland nicht in Kraft.
b) Wahl des Güterrechtsstatuts
Rz. 617
Nach Art. 15 Abs. 2 EGBGB können die Eheleute ihr Güterrechtsstatut selbst wählen. Diese Rechtswahl beschränkt sich ausschließlich auf die güterrechtlichen Wirkungen einer Ehe.
Wählbar sind die folgenden Güterrechtsstatute:
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Heimatrecht eines der Ehegatten |
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Recht am gewöhnlichen Aufenthalt eines Ehegatten, unabhängig von der Staatsangehörigkeit der Eheleute |
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die lex rei sitae bei unbeweglichem Vermögen. |
Die Rechtswahl bedarf der notariellen Beurkundung, Art. 15 Abs. 3 i.V.m. Art. 14 Abs. 4 S. 1 EGBGB.
Etwas anderes gilt, wenn die Rechtswahl im Ausland vorgenommen wird. Nach dem Grundsatz "locus regit actum" genügt die Einhaltung der Ortsform, auch wenn diese weniger streng ist als die Formvorschriften für den Abschluss eines Ehevertrages. Dieser Grundsatz wird in Art. 14 Abs. 4 S. 1 EGBGB aufgenommen.
c) EU-Güterstands-VO
Rz. 618
Am 24.6.2016 ist die Europäische Güterstandsverordnung (EuGüVO; daneben auch die Europäische Lebenspartnerschaftsverordnung (EuPartVO)) in Kraft getreten. Anwendung finden diese Verordnungen auf nach dem 29.1.2019 geschlossene Ehen und eingetragene Lebenspartnerschaften. Sie gilt in 18 Mitglie...