Dr. iur. Tobias Spanke, Walter Krug
1. Allgemeines
Rz. 117
Unter einem Vermächtnis versteht man die Zuwendung eines Vermögensvorteils – im Gegensatz zur Erbeinsetzung – in der Weise, dass der Vermächtnisnehmer nicht in die Rechtsstellung des Erblassers einrückt, sondern lediglich einen schuldrechtlichen Anspruch gegen den Beschwerten auf Übertragung des Vermächtnisgegenstandes erhält, § 2174 BGB.
Rz. 118
Vermächtnisnehmer kann jede natürliche oder juristische Person sein, nach h.M. auch eine Gesamthandsgemeinschaft. Das Vermächtnis fällt in der Regel mit dem Erbfall an (§ 2176 BGB), kann jedoch durch aufschiebende Bedingung bzw. Befristung auch auf einen späteren Zeitpunkt hinausgeschoben werden (§ 2177 BGB). In der Zwischenzeit entsteht zugunsten des Bedachten ein Anwartschaftsrecht. Da nach dem Eintritt des Erbfalls in den meisten Fällen bis zur Erteilung des Erbscheins einige Monate vergehen, besteht für den Erblasser die Möglichkeit, die Fälligkeit der Vermächtnisse durch entsprechende Regelung zinslos auf bspw. drei oder sechs Monate hinauszuschieben.
Rz. 119
Fraglich ist, welche Rechtsposition der Vermächtnisnehmer haben soll, wenn der vermachte Gegenstand sich im Zeitpunkt des Erbfalls nicht mehr im Nachlass befindet – was in der Praxis nicht selten vorkommt.
Rz. 120
Zwar gibt es keinen allgemeinen Grundsatz wirtschaftlicher Surrogation beim Vermächtnis, aber der letztwilligen Verfügung kann u.U. im Wege ergänzender Auslegung der Erblasserwille entnommen werden, dass der bedachte Vermächtnisnehmer den wertmäßig noch im Nachlass befindlichen Erlös für den veräußerten Gegenstand erhalten soll, sofern der Erblasser den Gegenstand willentlich veräußert hat. Deshalb sollte in letztwilligen Verfügungen immer klargestellt werden, ob für diesen Fall ein Ersatz bzw. das Surrogat zu leisten ist.
Fällt das Vermächtnis nach dem Erbfall weg und ist der Anspruch bereits entstanden, dann gilt § 280 Abs. 1 BGB.
Hinweis
Nach § 2171 Abs. 1 Alt. 1 BGB ist ein zum Zeitpunkt des Erbfalls unmögliches Vermächtnis unwirksam. § 2171 Abs. 1 BGB regelt die anfängliche objektive Unmöglichkeit eines Vermächtnisses zum Zeitpunkt des Erbfalls und nicht zum Zeitpunkt der Errichtung der letztwilligen Verfügung.
Rz. 121
Mit dem Anfall des Vermächtnisses erwirbt der Vermächtnisnehmer gemäß § 2174 BGB einen Anspruch gegen den/die beschwerten Erben, die Leistung des vermachten Gegenstands zu fordern. Dieser Anfall ist vormerkungsfähig, sofern es sich um einen Anspruch auf dingliche Rechtsänderung an Grundstücken bzw. Grundstücksrechten handelt und dem Bedachten eine solche Sicherung durch Testament mit zugewendet worden ist. Unabhängig davon bestehen die allgemeinen Möglichkeiten des Arrests oder der einstweiligen Verfügung, aufgrund derer bei einem Grundstücksvermächtnis regelmäßig ebenfalls die Eintragung einer Vormerkung erreicht werden kann.
Rz. 122
Grundsätzlich tritt die Fälligkeit des Vermächtnisses gemäß § 271 Abs. 1 BGB sofort, nämlich mit dessen Anfall (Erbfall) ein, der Erblasser hat aber die Möglichkeit, die Zeit der Erfüllung in das Belieben des Beschwerten zu stellen. Gemäß § 2181 BGB tritt Fälligkeit dann im Zweifel mit dem Tod des Beschwerten ein. Erbschaftsteuerlich stehen gemäß § 6 Abs. 4 ErbStG beim Tod des Beschwerten fällige Vermächtnisse jedoch Nacherbschaften gleich. Unter steuerlichem Gesichtspunkt ist es daher ratsam, die Fälligkeit nicht an den Tod des Beschwerten zu knüpfen.
Rz. 123
Mit dem Vermächtnis beschwert wird grundsätzlich entweder der Erbe oder der Vermächtnisnehmer. Im Zweifel ist der Erbe beschwert (§ 2147 S. 2 BGB). Zu beachten ist hier die Auslegungsregel des § 2148 BGB, wonach im Zweifel die Erben im Verhältnis ihrer Erbteile und die Vermächtnisnehmer nach dem Verhältnis des Wertes der Vermächtnisse beschwert sind. Es ist also durchaus sinnvoll, die Beschwerung des Erben bzw., wenn von der Auslegungsregel abgewichen werden soll, gemäß § 2147 BGB auch die Beschwerung eines Vermächtnisnehmers festzulegen.
Rz. 124
Die Miterben sind im Zweifel als Gesamtschuldner beschwert und haften sowohl mit dem Nachlass als auch mit ihrem Privatvermögen. Insoweit besteht jedoch die Möglichkeit, die Haftung auf den Nachlass zu beschränken.
Rz. 125
Fraglich ist oftmals, wer die Kosten der Erfüllung eines Vermächtnisses trägt. Enthält das Testament hierüber keine Anordnung, hat der beschwerte Erbe die Kosten zu tragen. Sinnvoll ist jedoch, was häufig nicht geschieht, die Frage der Kostentragung in der Verfügung von Todes wegen ausdrücklich festzulegen.
Rz. 126
Gleiches gilt auch für die Frage, wer im Falle eines Grundstücksvermächtnisses die Kosten etwaiger Belastungen zu tragen hat (§§ 2165–2168 BGB). Nicht selten ist ein Grundstück oder eine Eigentumswohnung noch mit einer Grundschuld etc. belastet. Ist im Testament nicht geregelt, wer die Grundschuld abzulösen und die Schulden zu übernehmen hat, ist der Streit vorprogrammiert.
Rz. 127
Zur Sicherstellung der Vermächtniserfüllung kann der Erblasser entweder den Vermächtnisnehmer bevo...