Rz. 7

Zu den Grundfreiheiten des AEU-Vertrags zählen die

allgemeine Freizügigkeit (Art. 21 AEUV)
Warenverkehrsfreiheit (Art. 34 ff. AEUV)
Arbeitnehmerfreizügigkeit (Art. 45 ff. AEUV)
Niederlassungsfreiheit (Art. 49 ff. AEUV)
Dienstleistungsfreiheit (Art. 56 ff. AEUV)
Kapitalverkehrsfreiheit (Art. 63 ff. AEUV).

Jede dieser Grundfreiheiten schützt ganz bestimmte grenzüberschreitende Tätigkeiten von Personen oder Unternehmen. Im Rahmen der Besteuerung einer GmbH kommt der Niederlassungs- und der Kapitalverkehrsfreiheit entscheidende Bedeutung zu.

a) Niederlassungsfreiheit

 

Rz. 8

Die Niederlassungsfreiheit gewährleistet nach Art. 49 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Art. 54 Abs. 1 AEUV den nach den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaates gegründeten Gesellschaften, die ihren satzungsmäßigen Sitz, ihre Hauptverwaltung oder ihre Hauptniederlassung innerhalb des Unionsgebietes haben, das Recht, ihre Tätigkeit in dem betreffenden Mitgliedstaat durch Agenturen, Zweigniederlassungen und Tochterkapitalgesellschaften auszuüben. Der EuGH fasst hierbei das Halten von Beteiligungen an einer Gesellschaft nur dann unter die Niederlassungsfreiheit, wenn der Anteilseigner einen beherrschenden Einfluss auf die Gesellschaft ausüben kann.[8]

 

Rz. 9

Die Anwendung der Niederlassungsfreiheit ist auf Gesellschaften mit Sitz in der EU beschränkt, so dass sich Gesellschaften aus Drittstaaten nicht auf diese Grundfreiheit berufen können. Teilweise wird in der Literatur die Auffassung vertreten, die Niederlassungsfreiheit könne durch die von der EU mit bestimmten Drittstaaten geschlossenen Assoziierungsabkommen, durch Regelungen in einigen DBA sowie durch die z.B. im Freundschaftsabkommen zwischen den USA und Deutschland enthaltene Meistbegünstigungsklausel auch auf Drittländer ausgedehnt werden. Hier ist jedoch für jeden Drittstaat gesondert zu prüfen, ob eine Ausdehnung der Niederlassungsfreiheit aufgrund der beschriebenen Regelungen angenommen werden kann.[9] Im Regelfall ist dies allerdings nicht der Fall.

[8] EuGH, Urt. v. 13.4.2000, Rs. C-251/98 (Baars), Slg. 2000, I-2787.
[9] Schnitger, IStR 2003, 52; Prinz, FR 2003, 650; für USA, Kanada und Japan: Kempf, DB 2005, 744.

b) Kapitalverkehrsfreiheit

 

Rz. 10

Nach Art. 63 Abs. 1 AEUV sind grundsätzlich "alle Beschränkungen des Kapitalverkehrs zwischen den Mitgliedstaaten sowie zwischen den Mitgliedstaaten und dritten Ländern verboten". Unter Kapitalverkehr ist der grenzüberschreitende Transfer von Werten in Form von Geld- oder Sachkapital zu verstehen.[10] Ausschlaggebend für die Anwendung der Kapitalverkehrsfreiheit ist damit lediglich, dass die Kapitalbewegung in einem Mitgliedstaat beginnt oder endet, so dass auch der Kapitalverkehr geschützt ist, an dem Personen oder Gesellschaften aus Drittstaaten beteiligt sind. Zur Bestimmung, ob ein Vorgang unter die Kapitalverkehrsfreiheit fällt, kann die Kapitalverkehrsrichtlinie[11] als Auslegungshilfe herangezogen werden, in deren Anhang beispielhaft Vorgänge aufgeführt sind, die als Kapitalverkehr gelten. Hierzu zählen insbesondere die Gewährung von Darlehen jeder Art, grenzüberschreitende Direktinvestitionen in Form von Beteiligungen und die Übertragung von Unternehmensbeteiligungen.

 

Rz. 11

Bei speziellen Kapitalbewegungen, wie z.B. der Gründung von Tochtergesellschaften oder Betriebsstätten, kann neben der Kapitalverkehrsfreiheit auch die Niederlassungsfreiheit betroffen sein. Die Frage der Abgrenzung zwischen der Niederlassungsfreiheit und der Kapitalverkehrsfreiheit wurde durch den EuGH nach den Kriterien der regelungsbezogenen und sachverhaltsbezogenen Betrachtungsweise dahin gehend entschieden, dass die Kriterien kumulativ angewendet werden.[12] Die bislang im herrschenden Schrifttum vorhandene Meinung, dass die Kapitalverkehrsfreiheit eine Komplementärfunktion in Bezug auf die Niederlassungsfreiheit erfüllt,[13] dürfte wohl zumindest für Drittstaatenverhältnisse durch die Urteile des EuGH in den Rechtssachen Lasertec, Fidium Finanz sowie KBC Bank überholt sein.[14] Wenn z.B. gemäß der in Frage stehenden nationalen Regelung ein Anteilseigner bei Dividendenbezügen aus Drittstaatengesellschaften weniger günstig behandelt wird als bei Dividendenbezügen aus in dem betreffenden EU-Staat ansässigen Gesellschaften, ist es Sache des nationalen Gerichts zu prüfen, ob Art. 63 AEUV anwendbar ist. Danach kommt es grundsätzlich auf den Regelungsbereich der Norm an. Vorschriften über den Besitz von Beteiligungen, die es ermöglichen, einen sicheren Einfluss auf die Entscheidungen einer Beteiligungsgesellschaft auszuüben und deren Tätigkeit zu bestimmen, fallen lediglich in den sachlichen Anwendungsbereich der Niederlassungsfreiheit.[15] Dagegen können nationale Rechtsvorschriften, deren Anwendung nicht vom Umfang der Beteiligung des Anteilsinhabers an der ausschüttenden Gesellschaft abhängt, sowohl unter Art. 49 AEUV als auch unter Art. 63 AEUV fallen. Sofern es sich jedoch um eine Beteiligung handelt, die ihrem Inhaber einen sicheren Einfluss auf die Entscheidungen der betroffenen Beteiligungsgesellschaft vers...

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