Klaus von Brocke, Dr. Stefan Müller
a) Grenzüberschreitender Transfer von Wirtschaftsgütern zwischen zwei verbundenen Kapitalgesellschaften
Rz. 268
Die Übertragung von Wirtschaftsgütern zwischen verbundenen Unternehmen stellt regelmäßig einen Gewinnrealisierungstatbestand dar.
Rz. 269
Wird das Wirtschaftsgut zu einem fremdüblichen Preis von einer inländischen GmbH (aus ihrer inländischen Betriebsstätte) an eine ausländische Gruppengesellschaft veräußert, unterliegt der entsprechende Gewinn der inländischen Besteuerung.
Rz. 270
Überträgt die inländische GmbH das Wirtschaftsgut unentgeltlich auf die ausländische Gruppengesellschaft, stellt dieses grundsätzlich eine verdeckte Gewinnausschüttung i.S.d. § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG dar, sofern die ausländische Gesellschaft der GmbH übergeordnet ist oder eine Schwestergesellschaft (verdeckte Gewinnausschüttung an die gemeinsame Muttergesellschaft und anschließende verdeckte Einlage von dieser in die ausländische Kapitalgesellschaft) ist. Um eine verdeckte Einlage handelt es sich dagegen, wenn die ausländische Gesellschaft eine Tochtergesellschaft der inländischen GmbH ist. Im Fall der verdeckten Gewinnausschüttung ist der gemeine Wert und im Fall der verdeckten Einlage der Teilwert anzusetzen, vgl. § 6 Abs. 1 Nr. 5 Satz 1 EStG.
Rz. 271
Für derartige grenzüberschreitende Vorgänge belässt es der deutsche Steuergesetzgeber nach der gegenwärtig herrschenden Interpretation jedoch in bestimmten Fällen nicht bei dem Teilwertansatz. Denn in § 1 Abs. 1 AStG ist festgelegt, dass bei Geschäftsbeziehungen i.S.d. § 1 Abs. 5 AStG mit einer ausländischen nahestehenden Person i.S.d. § 1 Abs. 2 AStG der Fremdvergleichspreis maßgeblich ist. Damit können in bestimmten Fällen die Voraussetzungen der verdeckten Einlage und des § 1 AStG gleichermaßen erfüllt sein. In diesen Fällen ging die Finanzverwaltung bisher von einem Vorrang der Grundsätze über die verdeckte Einlage (bzw. verdeckte Gewinnausschüttung) aus. Nach verbreiteter Auffassung soll keine der Regelungen explizit Vorrang vor der anderen haben. Der BFH hat zuletzt in seinem Urteil vom 27.11.2019 konstatiert, dass ein Vorrang des § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG gegenüber § 1 Abs. 1 AStG allein aufgrund des Wortlauts des § 1 Abs. 1 AStG nicht gegeben ist, und somit diese Auffassung geteilt. Beide Vorschriften würden einander vielmehr überlagern, sodass sich eine Gewinnkorrektur nach einer Vorschrift erübrigt, wenn sie bereits nach der anderen vollzogen wurde. Soweit die Rechtsfolgen der beiden Vorschriften nicht divergieren, könne der Rechtsanwender wählen, welche von ihnen er vorrangig prüft.
b) Grenzüberschreitender Transfer von Wirtschaftsgütern zwischen zwei Betriebsstätten einer Kapitalgesellschaft
Rz. 272
Werden Wirtschaftsgüter von einer inländischen Betriebsstätte einer GmbH in eine im Ausland belegene Betriebsstätte dieser GmbH bzw. in umgekehrter Richtung transferiert, so gelten hierfür besondere Grundsätze. Diese sind in den sog. Entstrickungstatbeständen des § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG und § 12 Abs. 1 KStG festgelegt, die mit dem SEStEG vom 7.12.2006 mit Wirkung für nach dem 31.12.2005 endende Wirtschaftsjahre eingeführt wurden. Danach gilt der Ausschluss oder die Beschränkung des Besteuerungsrechts der Bundesrepublik Deutschland hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung oder der Nutzung eines Wirtschaftsgutes als dessen Entnahme (§ 4 Abs. 1 Satz 3 EStG) bzw. Veräußerung oder Überlassung des Wirtschaftsgutes zum gemeinen Wert (§ 12 Abs. 1 KStG). Diese Bestimmungen beruhen auf dem Gedanken, dass die Überführung eines Wirtschaftsgutes aus dem deutschen Stammhaus in eine ausländische Betriebsstätte jeweils zu einem entsprechenden Ausschluss des Besteuerungsrechts führt. Danach führt der Transfer eines Wirtschaftsgutes aus einem inländischen Stammhaus in eine ausländische Betriebsstätte zur Realisierung der stillen Reserven. Anders als die zuvor geltenden Grundsätze nach der ursprünglichen Fassung des BMF-Schreibens zu den Betriebsstätten-Verwaltungsgrundsätzen spielt die Frage, ob der Transfer in einen Staat erfolgt, mit dem die Bundesrepublik Deutschland kein DBA bzw. ein solches abgeschlossen hat, das die Anrechnungsmethode anwendet, oder in einen Staat mit einem DBA nach der Freistellungsmethode, keine Rolle mehr. Vielmehr führt nach der neuen Fassung des BMF-Schreibens der Transfer eines Wirtschaftsgutes aus einer im Ausland gelegenen sog. Anrechnungsbetriebsstätte (unabhängig davon, ob nach DBA oder ohne DBA) in eine ausländische DBA-Freistellungsbetriebsstätte bereits zur Aufdeckung der stillen Reserven.
Rz. 273
Hintergrund für eine erneute Änderung dieser Entstrickungsregeln ist die Aufgabe der sog. Theorie der finalen Entnahme durch den BFH mit Urteil vom 17.7.2008. Nach dieser Entscheidung wird das Besteuerungs...