Klaus von Brocke, Dr. Stefan Müller
a) Ziel der Schiedskonvention
Rz. 134
Ziel der EU-Schiedskonvention ist, die durch Preisberichtigungen im internationalen Verrechnungsverkehr zwischen verbundenen Unternehmen innerhalb der EU entstehenden Doppelbesteuerungen zu vermeiden, indem der streitige Gewinnbetrag nur in einem der beiden Vertragsstaaten besteuert werden darf, während er im anderen Staat entsprechend freigestellt wird bzw. die Steuer im Fall der Anrechnungsmethode entsprechend gemindert wird.
b) Tatbestandsvoraussetzungen
Rz. 135
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Umsetzung der EU-Schiedskonvention |
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Doppelbesteuerung |
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durch Preisberichtigung im internationalen Verrechnungsverkehr |
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zwischen verbundenen Unternehmen. |
aa) Umsetzung der EU-Schiedskonvention
Rz. 136
Der Rechtsnatur nach handelte es sich bei der EU-Schiedskonvention ursprünglich um ein multilaterales Übereinkommen gem. Art. 293 EG und damit um einen völkerrechtlichen Vertrag, der durch Zustimmungsgesetz unmittelbar anwendbares innerstaatliches Recht geworden ist und keiner weiteren Umsetzung in nationales Steuerrecht mehr bedarf. Die EU-Schiedskonvention hatte am 1.11.1995 durch Ratifizierung der bis dahin 15 EG-Mitgliedstaaten Wirkung erlangt. Das ursprünglich auf fünf Jahre abgeschlossene Abkommen war am 31.12.1999 ausgelaufen. Allerdings haben die Mitgliedstaaten im August 2004 ein Protokoll zur Verlängerung des Übereinkommens ratifiziert, durch das die EU-Schiedskonvention rückwirkend zum 1.1.2000 wieder in Kraft getreten ist. Der Beitritt der zehn neuen EU-Mitgliedstaaten 2004 wurde mit dem Übereinkommen vom 8.12.2004 geregelt.
Rz. 137
Am 29.10.2004 wurde von den Staats- und Regierungschefs der 25 Mitgliedstaaten in Rom der "Vertrag über eine Verfassung für Europa" (EVV) unterzeichnet. Art. 293 EG wurde darin nicht übernommen, sondern ersatzlos gestrichen, was grundsätzlich im Widerspruch zur Politik der EU-Kommission bezüglich der direkten Steuern stand. Nach dem Scheitern des EVV trat am 1.12.2009 der Vertrag von Lissabon in Kraft, durch den der EGV in "Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union" (AEUV) umbenannt und zahlreiche Zuständigkeiten innerhalb der EU verändert wurden. Auch darin war keine dem Art. 293 EG vergleichbare Norm enthalten. Auf die Arbeit und das Wirken der Schiedskonvention hat dies jedoch keine direkte Auswirkung.
Rz. 138
Am 22.12.2009 ratifizierte der EU-Rat den von der Kommission vorgeschlagenen "Überarbeiteten Verhaltenskodex zur Durchführung des EU-Schiedsübereinkommens". Dieser auf den Anregungen des Gemeinsamen EU-Verrechnungspreisforums basierende Verhaltenskodex, der keine rechtliche, sondern eher eine politische Verpflichtung der Vertragsstaaten darstellt, dient zur Klärung einzelner Fragestellungen, die sich bei Anwendung des Schiedsübereinkommens ergeben.
bb) Tatbestandsvoraussetzungen im Einzelnen
(1) Doppelbesteuerung durch Preisberichtigung
Rz. 139
Die EU-Schiedskonvention kommt nur zur Anwendung, wenn Preisberichtigungen im internationalen Verrechnungsverkehr zwischen verbundenen Unternehmen durch eine Steuerbehörde eines Vertragsstaates vorgenommen werden, die dazu führen, dass infolge der Berichtigung Gewinne in beiden Unternehmen besteuert werden.
(2) Verbundene Unternehmen
Rz. 140
Das Abkommen gilt für alle Unternehmen unabhängig von der Rechtsform, die unmittelbar oder mittelbar an der Geschäftsleitung, der Kontrolle oder dem Kapital eines Unternehmens eines anderen Vertragsstaates beteiligt sind. Betriebsstätten gelten für Zwecke des Abkommens gem. Art. 1 Abs. 2 und Art. 4 Nr. 2 der EU-Schiedskonvention als verbundenes Unternehmen.
(3) Verfahrensablauf
Rz. 141
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Vorverfahren |
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Verständigungsverfahren |
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Schlichtungsverfahren |
(a) Vorverfahren
Rz. 142
Gemäß Art. 5 der EU-Schiedskonvention kommt es in einem ersten Schritt zu einem sog. Vorverfahren. Beabsichtigt eine Behörde eines EU-Mitgliedstaates, eine Preisberichtigung bei einem Unternehmen vorzunehmen, so ist sie verpflichtet, vor Erlass eines Bescheides dieses Unternehmen entsprechend zu informieren. Hierdurch erhält das betroffene Unternehmen die Möglichkeit, das mit ihm verbundene Unternehmen ...