Rz. 89

Die Anzeigepflicht ist auf grenzüberschreitende Sachverhalte beschränkt, d.h. es sind EU-interne Gestaltungen mit mehr als einem beteiligten Mitgliedstaat oder Gestaltungen mit einem Mitgliedstaat und einem Drittstaat erfasst. Konkret stellt die Richtlinie beim Begriff "grenzüberschreitende Gestaltung" auf die folgenden Bedingungen ab, wobei die Erfüllung einer Bedingung ausreichend ist (Art. 3 Nr. 18 AHiRL):

Nicht alle an der Gestaltung Beteiligten sind im selben Hoheitsgebiet steuerlich ansässig.
Einer oder mehrere der an der Gestaltung Beteiligten ist/sind gleichzeitig in mehreren Hoheitsgebieten steuerlich ansässig.
Einer oder mehrere der an der Gestaltung Beteiligten übt/üben in einem anderen Hoheitsgebiet über eine dort ansässige Betriebsstätte Geschäftstätigkeiten aus, und die Gestaltung stellt teilweise oder ganz die durch die Betriebsstätte ausgeübte Geschäftstätigkeiten dar.
Einer oder mehrere der an der Gestaltung Beteiligten übt/üben in einem anderen Hoheitsgebiet eine Tätigkeit aus, ohne dort steuerlich ansässig zu sein oder eine Betriebsstätte zu begründen.
Eine solche Gestaltung hat möglicherweise Auswirkungen auf den automatischen Informationsaustausch oder die Identifizierung der wirtschaftlichen Eigentümer.

Bei einer Gestaltung kann es sich auch um eine Reihe von Gestaltungen handeln; eine Gestaltung kann also mehr als einen Schritt oder Teil umfassen (Art. 3 Nr. 18 AHiRL).

 

Rz. 90

Gegenüber früheren Fassungen wurde im finalen deutschen Text der Richtlinie der Begriff "grenzüberschreitendes Modell" durchgehend durch "grenzüberschreitende Gestaltung" ersetzt. Die neue Begrifflichkeit entspricht besser dem englischen "cross-border arrangement" und weist darüber hinaus darauf hin, dass es für die Meldepflicht keine übergreifende Voraussetzung einer "Modellhaftigkeit" gibt, wie es z.B. aus dem deutschen § 15b EStG bekannt ist.[79] In der EU-Richtlinie löst zwar der einzelne Hallmark A.3, der gemeinsam mit dem Main Benefit-Test anzuwenden ist, die Meldepflicht im Falle einer Gestaltung aus, die standardisiert ist und nicht wesentlich individuell angepasst werden muss, womit modellhafte Gestaltungen grundsätzlich von der EU-Richtlinie erfasst sind. Alle anderen Hallmarks kommen jedoch zur Anwendung, ohne dass die jeweils anzeigepflichtige Gestaltung einen Modellcharakter aufweisen muss.

[79] Auch das Max-Planck-Institut für Steuerrecht und Öffentliche Finanzen hatte 2016 in seinem vielbeachteten Gutachten "Anzeigepflicht für Steuergestaltungsmodelle in Deutschland – Hinweise für eine zulässige und zugleich effiziente gesetzliche Regelung" für das BMF vom 15.7.2016 modellhafte Steuergestaltungen als "Kernbereich der Anzeigepflicht" bezeichnet.

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