Klaus von Brocke, Dr. Stefan Müller
(1) Zins- oder Lizenzzahlungen
Rz. 55
Gemäß Art. 2a der Richtlinie sind Zinsen Einkünfte aus Forderungen jeder Art, auch wenn die Forderungen durch Pfandrechte an Grundstücken gesichert oder mit einer Beteiligung am Gewinn des Schuldners ausgestattet sind. Zuschläge für verspätete Zahlungen gelten nicht als Zinsen. Der deutsche Gesetzgeber hat von der in Art. 4 der Richtlinie vorgesehenen Möglichkeit Gebrauch gemacht, bestimmte Zinszahlungen aus dem Anwendungsbereich herauszunehmen. So werden Zinsen, die als verdeckte Gewinnausschüttungen gelten, sowie gewinnabhängige Verzinsungen wie beispielsweise Einnahmen aus der Beteiligung an einem Handelsgewerbe als stiller Gesellschafter oder Zinsen aus partiarischem Darlehen nicht nach § 50g EStG von der Quellensteuer befreit. Für verdeckte Gewinnausschüttungen kommt aber bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen eine Quellensteuerbefreiung nach der Mutter-Tochter-Richtlinie in Betracht. Ebenfalls nicht von § 50g EStG erfasst werden unangemessen hohe Zinszahlungen, soweit sie den fremdüblich vereinbarten Betrag übersteigen.
Rz. 56
Lizenzzahlungen sind gem. Art. 2b der Richtlinie insbesondere Vergütungen jeder Art für die Benutzung von Marken, Patenten, geheimen Formeln und Verfahren sowie für die Mitteilung gewerblicher Verfahren. Lizenzen müssen für die Nutzung gezahlt werden. Nicht erfasst werden damit Zahlungen aufgrund von Veräußerungen bzw. Vereinbarungen, bei denen kaufvertragliche Elemente überwiegen.
Rz. 57
Das die Zahlungen empfangende Unternehmen muss die Zinsen oder Lizenzen zu eigenen Gunsten erhalten, d.h. Nutzungsberechtigter sein. Nicht befreit sind danach Zahlungen, soweit der Empfänger als Treuhänder, Vertreter oder Bevollmächtigter auftritt (Art. 1 Abs. 4 der Richtlinie). Bei Zahlungen an eine Betriebsstätte ist erforderlich, dass die Forderung tatsächlich der Betriebsstätte zuzurechnen ist. Ein bloßer Zusammenhang mit der Betriebsstätte reicht nicht aus.
(2) Begünstigte Unternehmensform
Rz. 58
In den Anwendungsbereich der Zins- und Lizenz-Richtlinie gelangen nur Zahlungen zwischen bestimmten Unternehmensformen (bzw. deren Betriebsstätte). Zu den begünstigten Unternehmen zählen entsprechend dem Anhang zur Richtlinie insbesondere Kapitalgesellschaften wie die deutsche GmbH oder AG, die niederländische B.V. oder die französische S.A. Die Europäische Aktiengesellschaft (SE) ist in dem Anhang zwar nicht enthalten. Aufgrund des in Art. 10 der SE-Verordnung enthaltenen Diskriminierungsverbotes ist die SE jedoch wie eine nationale Aktiengesellschaft eines EU-Mitgliedstaates zu behandeln.
(3) Unbeschränkte Körperschaftsteuerpflicht im Ansässigkeitsstaat
Rz. 59
Der Ansässigkeitsbegriff stellt auf die unbeschränkte Steuerpflicht in einem EU-Mitgliedstaat ab. Gilt ein Unternehmen aufgrund Doppelbesteuerungsabkommen zwischen einem EU-Staat und einem Drittstaat als außerhalb der EU ansässig, wird eine Quellensteuerfreistellung nicht gewährt. Daneben muss das Unternehmen einer der in Art. 3 Abs. 2 iii) der Richtlinie aufgeführten oder vergleichbaren Körperschaftsteuer des jeweiligen EU-Mitgliedstaates unterliegen.
(4) Verbundene Unternehmen
Rz. 60
Die Zins- und Lizenz-Richtlinie gilt nur für Zins- und Lizenzzahlungen zwischen verbundenen Unternehmen. Als verbunden gelten Unternehmen gem. Art. 3b der Richtlinie, wenn zwischen ihnen entweder eine unmittelbare Mindestkapitalbeteiligung von 25 % besteht oder sie innerhalb der EU mittelbar über ein drittes Unternehmen verbunden sind, das zu mindestens 25 % sowohl an dem zahlenden als auch an dem empfangenden Unternehmen beteiligt ist (d.h. Zahlungen zwischen Schwestergesellschaften). Nicht erfasst werden damit Zins- oder Lizenzzahlungen innerhalb eines mehrstufigen Konzerns, wenn dabei eine Stufe übersprungen wird.