Klaus von Brocke, Dr. Stefan Müller
(1) Doppelbesteuerung durch Preisberichtigung
Rz. 139
Die EU-Schiedskonvention kommt nur zur Anwendung, wenn Preisberichtigungen im internationalen Verrechnungsverkehr zwischen verbundenen Unternehmen durch eine Steuerbehörde eines Vertragsstaates vorgenommen werden, die dazu führen, dass infolge der Berichtigung Gewinne in beiden Unternehmen besteuert werden.
(2) Verbundene Unternehmen
Rz. 140
Das Abkommen gilt für alle Unternehmen unabhängig von der Rechtsform, die unmittelbar oder mittelbar an der Geschäftsleitung, der Kontrolle oder dem Kapital eines Unternehmens eines anderen Vertragsstaates beteiligt sind. Betriebsstätten gelten für Zwecke des Abkommens gem. Art. 1 Abs. 2 und Art. 4 Nr. 2 der EU-Schiedskonvention als verbundenes Unternehmen.
(3) Verfahrensablauf
Rz. 141
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Vorverfahren |
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Verständigungsverfahren |
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Schlichtungsverfahren |
(a) Vorverfahren
Rz. 142
Gemäß Art. 5 der EU-Schiedskonvention kommt es in einem ersten Schritt zu einem sog. Vorverfahren. Beabsichtigt eine Behörde eines EU-Mitgliedstaates, eine Preisberichtigung bei einem Unternehmen vorzunehmen, so ist sie verpflichtet, vor Erlass eines Bescheides dieses Unternehmen entsprechend zu informieren. Hierdurch erhält das betroffene Unternehmen die Möglichkeit, das mit ihm verbundene Unternehmen von der beabsichtigten Berichtigung zu unterrichten, damit dieses seinerseits eine entsprechende Gegenberichtigung in seinem Ansässigkeitsstaat anstreben kann.
(b) Verständigungsverfahren
Rz. 143
Kommt es zu keiner Einigung, kann das durch die Doppelbesteuerung betroffene Unternehmen innerhalb von drei Jahren nach der Information durch die Behörde die Einleitung eines Verständigungsverfahrens beantragen. Dieser Antrag ist i.d.R. nicht formgebunden. Allerdings sind nationale Besonderheiten zu beachten. Gleiches gilt hinsichtlich des Inhalts des Antrags. In dem Verständigungsverfahren bemühen sich die betroffenen Behörden, die Doppelbesteuerung dem Arm’s-length-Grundsatz entsprechend zu vermeiden.
Rz. 144
Die zuständige Behörde kann die Einleitung eines Verständigungsverfahrens auch nach pflichtgemäßem Ermessen ablehnen. Dies ist jedoch nur denkbar, wenn entweder die Voraussetzungen zur Einleitung nicht vorliegen oder der Steuerpflichtige empfindlich gegen nationale steuerliche Vorschriften verstoßen hat (vgl. Art. 8 der EU-Schiedskonvention). Im Falle der Ablehnung hat der Steuerpflichtige im Inland keinen klagbaren Rechtsanspruch auf Einleitung eines Verständigungsverfahrens. Der Steuerpflichtige kann jedoch vom Finanzgericht prüfen lassen, ob die zuständige Behörde ihr Ermessen fehlerfrei ausgeübt hat.
(c) Schlichtungsverfahren
Rz. 145
Erzielen die zuständigen Behörden innerhalb von zwei Jahren keine Einigung, die zur Beseitigung der Doppelbesteuerung führt, setzt zwingend das Schlichtungsverfahren gem. Art. 7 der EU-Schiedskonvention ein. Im Schlichtungsverfahren werden die Behörden zur Einsetzung eines beratenden Ausschusses verpflichtet. Dieser Ausschuss hat die Aufgabe, innerhalb von sechs Monaten eine Stellungnahme dazu abzugeben, wie die Doppelbesteuerung beseitigt werden soll. Die Stellungnahme des Beratenden Ausschusses hat zunächst keine Bindungswirkung, sondern nur empfehlenden Charakter. Die beteiligten Behörden haben vielmehr die Möglichkeit, innerhalb von weiteren sechs Monaten eine abweichende einvernehmliche Lösung zu finden. Gelingt dies nicht, wird die Stellungnahme des Beratenden Ausschusses verbindlich.