Klaus von Brocke, Dr. Stefan Müller
Rz. 238
Organträger kann gem. § 14 Abs. 1 Satz 1 KStG jedes gewerbliche Unternehmen sein. Nach § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 KStG kommen neben natürlichen Personen auch nicht steuerbefreite Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen i.S.d. § 1 KStG – also nicht nur Kapitalgesellschaften – mit Geschäftsleitung im Inland (ein inländischer Sitz ist insoweit nicht erforderlich) in Betracht. Des Weiteren können auch Personengesellschaften unter den weiteren Voraussetzungen des § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 2 KStG Organträger sein. Zu beachten ist, dass ab dem VZ 2012 der Inlandsbezug für die Geschäftsleitung entfallen ist und es somit unerheblich ist, wo sich die Geschäftsleitung der Personengesellschaft befindet. Dabei muss die Beteiligung ununterbrochen während der gesamten Dauer der Organschaft einer inländischen Betriebsstätte i.S.d. § 12 AO des Organträgers zuzuordnen sein (§ 14 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 S. 4 KStG). Eine inländische Betriebsstätte ist nach § 14 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 S. 7 KStG nur gegeben, wenn die dieser Betriebsstätte zuzurechnenden Einkünfte sowohl nach innerstaatlichem Steuerrecht als auch nach einem anzuwendenden Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung der inländischen Besteuerung unterliegen. Damit wurde das in der Vergangenheit bestehende Erfordernis der Errichtung einer inländischen eingetragenen Zweigniederlassung aufgegeben (vgl. § 18 KStG a.F.). Liegt eine solche Betriebsstätte einer ausländischen Tochtergesellschaft vor, ist das Einkommen der Organgesellschaft dem Betriebsstätteneinkommen hinzuzurechnen.
Rz. 239
Es stellt sich allerdings die Frage, ob unionsrechtlich das Bestehen einer Betriebsstätte überhaupt zur Voraussetzung einer Organschaft gemacht werden darf. Zweifel ergeben sich aus dem Urteil des EuGH in der Rechtssache SCA Group Holding. In dem niederländischen Vorlageverfahren ging es u.a. um die im niederländischen Steuerrecht nicht vorgesehene Möglichkeit, eine steuerliche Gruppe (fiscale eenheid) zwischen mehreren Schwestergesellschaften einer EU-Muttergesellschaft zu begründen. Eine Verlustverrechnung wäre möglich gewesen, wenn die Muttergesellschaft eine Betriebsstätte in den Niederlanden unterhalten hätte. Der EuGH hat in seinem Urteil vom 12.6.2014 entschieden, dass zwischen den Schwestergesellschaften eine steuerliche Ergebniskonsolidierung möglich sein müsse. Allerdings dürfte aus dem Urteil nicht zu folgen sein, dass eine EU-ausländische Muttergesellschaft eine Organschaft mit einer inländischen Tochtergesellschaft schließen können muss, mit der Folge, dass der Gewinn der ausländischen Muttergesellschaft zuzurechnen und damit der deutschen Besteuerungshoheit entzogen wird. Dies dürfte sich insbesondere aus dem EuGH-Urteil in der Rechtssache Oy AA ergeben, in der der EuGH entschieden hatte, dass Finnland keine group contribution zugunsten einer EU-ausländischen Muttergesellschaft mit dem Ergebnis der Verlagerung des Gewinns der Tochtergesellschaft in den Staat der Muttergesellschaft zulassen muss. Denselben Effekt hätte die Begründung einer ausländischen Muttergesellschaft mit ihrer inländischen Tochtergesellschaft. Steht allerdings die Begründung einer Organschaft einer ausländischen Muttergesellschaft mit mehreren deutschen Schwestergesellschaften im Raum, so dürfte sich auf Grundlage des EuGH-Urteils in der Rechtssache SCA Group Holding argumentieren lassen, dass eine Organschaft in einer solchen Konstellation möglich sein muss. In seinem Urteil vom 15.4.2020 in der Rechtssache B hat der EuGH diese Aussagen nunmehr bestätigt.