Klaus von Brocke, Dr. Stefan Müller
1. Grenzüberschreitende Verschmelzung und Spaltung
Rz. 350
Wie bereits bei der Darstellung der Fusions-Richtlinie beschrieben (vgl. hierzu Rdn 70–82), sind im Umwandlungssteuergesetz (UmwStG) auch grenzüberschreitende Umwandlungen erfasst. Gegenwärtig ist das Umwandlungsgesetz (UmwG) nach seinem § 1 Abs. 1 jedoch grundsätzlich auf Rechtsträger beschränkt, die ihren Sitz in Deutschland haben. Für das Steuerrecht nimmt das Umwandlungssteuerrecht bei Verschmelzung und Spaltung auf das Umwandlungsgesetz Bezug (vgl. § 1 Abs. 1 und 3 UmwStG). Damit das UmwStG Anwendung findet, müssen nach § 1 Abs. 2 UmwStG grundsätzlich sämtliche beteiligten Rechtsträger in einem EU-Mitgliedstaat oder EWR-Staat ansässig sein. Sofern es sich um juristische Personen handelt, müssen sie auch nach dem Recht eines dieser Staaten gegründet sein und in einem solchen (nicht unbedingt dem gleichen) ihren statutarischen Sitz haben. Die Geschäftsleitung einer an einem Umwandlungsvorgang beteiligten Körperschaft muss sich gleichfalls in der EU oder dem EWR befinden. Grundsätzlich sind damit auch grenzüberschreitende Umwandlungen nach dem UmwStG innerhalb der EU oder des EWR bei wirksamer Wahl der Buchwertfortführung auch grenzüberschreitend möglich. Für die Verschmelzung enthält das UmwG in den §§ 122a ff. nunmehr auch eine Regelung zur grenzüberschreitenden Verschmelzung, die sich allerdings nur auf Kapitalgesellschaften beschränkt (vgl. § 122b Abs. 1 UmwG). Insoweit findet das UmwG bereits jetzt auf EU- und EWR-Kapitalgesellschaften Anwendung. Zivilrechtlich sind damit zum einen grenzüberschreitende Spaltungen und grenzüberschreitende Verschmelzungen von Personengesellschaften derzeit nicht möglich, auch wenn ihnen steuerrechtlich nichts mehr im Wege steht. Für grenzüberschreitende Spaltungen wird allerdings die zum 31.1.2023 notwendige Umsetzung der Richtlinie EU 2019/2121 ("Mobilitäts-Richtlinie") Abhilfe schaffen, denn damit schafft die EU nun erstmals einen Rechtsrahmen für grenzüberschreitende Aufspaltungen, Abspaltungen und Ausgliederungen, wobei dies beschränkt ist auf Spaltungen zur Neugründung. Eine Spaltung zur Aufnahme bleibt weiterhin nicht möglich.
Rz. 351
Bereits im Jahr 2005 hatte der EuGH in der Rechtssache Sevic jedoch über die Frage zu entscheiden, ob die Ablehnung der Eintragung einer grenzüberschreitenden Verschmelzung einer luxemburgischen SA auf eine deutsche AG unter Berufung auf § 1 Abs. 1 UmwG gegen die in Art. 49 AEUV garantierte Niederlassungsfreiheit verstößt. Das Urteil geht auf ein Vorabentscheidungsersuchen des LG Koblenz zurück. Der zuständige Generalanwalt hatte bereits in seinem Schlussantrag bejaht, dass aufgrund der Niederlassungsfreiheit ein Anspruch auf Eintragung einer grenzüberschreitenden Hineinverschmelzung in ein deutsches Handelsregister entgegen § 1 Abs. 1 UmwG besteht und ausgeführt, dass eine Verschmelzung unabhängig vom späteren rechtlichen Untergang der verschmolzenen Gesellschaft eine Form der grenzüberschreitenden Niederlassung darstellt. § 1 Abs. 1 UmwG kommt insoweit eine beschränkende Wirkung zu, als ausländische und inländische Rechtsträger durch diese Regelung davon abgeschreckt werden, von einer grenzüberschreitenden Verschmelzung und damit von ihrem Recht auf Niederlassungsfreiheit Gebrauch zu machen. Der offensichtlichen Diskriminierung von § 1 Abs. 1 UmwG stehen nach Ansicht des Generalanwalts zudem keine Rechtfertigungsgründe gegenüber. Der EuGH ist dieser Einschätzung gefolgt. In seinem Urteil hat er insbesondere darauf hingewiesen, dass nicht nur grenzüberschreitende Verschmelzungen, sondern auch andere Umwandlungsvorgänge der Niederlassungsfreiheit unterfallen. Auch wenn das Urteil des EuGH sich auf Kapitalgesellschaften bezog, dürfte es für die nach § 1 Abs. 1 UmwG weiterhin ausgeschlossene grenzüberschreitende Verschmelzung von Personengesellschaften von erheblicher Bedeutung sein. Des Weiteren sollte damit auch der derzeitige Ausschluss grenzüberschreitender Spaltungen aus dem Anwendungsbereich des UmwG gegen die Niederlassungsfreiheit verstoßen. Auch nach der Umsetzung der Mobilitäts-Richtlinie wird für Spaltungen zur Aufnahme dieser Verstoß bestehen bleiben.