Rz. 133

Für das Zustandekommen eines Beschlusses kommt es nicht darauf an, wie die Abstimmung tatsächlich ausgefallen ist. Entscheidend ist, welches Ergebnis der Verwalter bekannt gegeben hat. Die Verkündung des Beschlussergebnisses durch den Versammlungsleiter hat konstitutive und inhaltsfixierende Bedeutung.[158] Was das praktisch bedeutet wird klar, wenn sich der Verwalter (absichtlich oder versehentlich) verzählen sollte: Wenn die Abstimmung keine Mehrheit an Ja-Stimmen ergab, der Verwalter aber trotzdem das Zustandekommen des Beschlusses verkündet, ist der Beschluss (wenn auch fehlerhaft) in der Welt. Aufgrund seiner Fehlerhaftigkeit kann er angefochten werden; geschieht das nicht, wird er bestandskräftig.

 

Rz. 134

Anfangs hatte der BGH die "Feststellung und Bekanntgabe des Beschlussergebnisses" gefordert, was die Frage aufwarf, ob der Verwalter zwingend "zweistufig" vorzugehen habe, indem er erst das Abstimmungsergebnis feststellt ("12 Ja-Stimmen, 6-Nein-Stimmen, 0 Enthaltungen") und dann das Beschlussergebnis verkündet ("Antrag angenommen"). Die Frage war und ist zu verneinen. Entscheidend ist nur das Ergebnis: Der Verwalter muss deutlich machen, ob ein Beschluss zustande gekommen ist oder nicht. Ein Ergebnis kann man nur bekannt geben, wenn man es vorher festgestellt hat. Ob man diesen Vorgang als "Feststellung und Verkündung" oder nur als "Feststellung" bzw. nur als "Verkündung" oder "Bekanntgabe" bezeichnet, ist gleichgültig. Es ist auch nicht nötig, vielmehr fakultativ, dass der Verwalter vor der Beschlussfeststellung das Abstimmungsergebnis (wie viele Stimmen auf Ja/Nein/Enthaltung entfielen) mitteilt. Zwischen den Begriffen "Verkündung, Feststellung, Bekanntgabe" besteht im hier interessierenden Zusammenhang kein sachlicher Unterschied. Der BGH ersetzte den 2001 von ihm eingeführten Begriff der Bekanntgabe später nur deshalb durch das Wort "Verkündung", weil er sich an die Wortwahl des im Zuge der WEG-Reform 2007 neu eingeführten § 24 Abs. 7 S. 2 Nr. 1 WEG anpassen wollte.[159]

 

Rz. 135

Der Verwalter ist zur Verkündung des Beschlussergebnisses verpflichtet. Eine Ausnahme ließ der BGH zu, wenn sich der Verwalter wegen "tatsächlicher oder rechtlicher Schwierigkeiten" bei der Bewertung des Abstimmungsergebnisses zur Ergebnisfeststellung außer Stande sieht.[160] Die fehlende Beschlussverkündung sollte dann (theoretisch) mit Hilfe des Gerichts nachgeholt werden können. Diese Ausnahme ist aber abzulehnen und hat auch keine praktische Bedeutung erlangt.

 

Rz. 136

Eine ausdrückliche Feststellung und Bekanntgabe des Beschlussergebnisses fehlt in der Praxis zwar oft, allerdings nicht wegen etwaiger Schwierigkeiten, sondern aus Nachlässigkeit oder Gedankenlosigkeit. Wenn das Abstimmungsergebnis eindeutig ist, schadet das Fehlen einer (ausdrücklichen) Beschlussverkündigung allerdings nicht. Nach der Rechtsprechung ist nämlich "im Zweifel" oder gar "in der Regel" bei einem protokollierten klaren Abstimmungsergebnis von einer konkludenten Beschlussfeststellung auszugehen.[161] Dieses Ergebnis konterkariert freilich den Ausgangspunkt (konstitutive Wirkung der Beschlussverkündung). Umgekehrt ist davon auszugehen, dass keine Beschlussfassung erfolgte, wenn das Protokoll keine erwähnte.[162] Dass dem Protokoll ein solcher Beweiswert beigemessen wird, ist allerdings zu kritisieren; das Protokoll ist weder für das Zustandekommen noch für den Inhalt eines Beschlusses maßgeblich (→ § 7 Rdn 141).

 

Rz. 137

 

Beispiel

Zur Abstimmung steht der Beschluss über Nachschüsse bzw. Anpassung der Vorschüsse auf der Grundlage der vorgelegten Jahresabrechnung. Alle sind dafür. Der Verwalter sagt "Danke" und geht zum nächsten Tagesordnungspunkt über. Das Protokoll weist später eine einstimmige Beschlussfassung aus. Angesichts des eindeutigen Ergebnisses schadet die fehlende Bekanntgabe nicht; der Beschluss ist konkludent festgestellt worden und damit wirksam.

 

Rz. 138

Im Protokoll der Versammlung (Niederschrift der Beschlüsse) muss nur das "Beschlussergebnis" ("angenommen/nicht angenommen" o.ä.) dokumentiert sein, nicht das "Abstimmungsergebnis" (Anzahl Ja- bzw. Nein-Stimmen bzw. Enthaltungen). Aber auch wenn es nicht zwingend ist, ist die Dokumentation des Abstimmungsergebnisses doch sinnvoll, insbesondere bei namentlicher Abstimmung. Unsinnig ist hingegen folgende Art der Beschlussfeststellung: "Damit ist der Beschluss – mehrheitlich [oder: einstimmig] – zustande gekommen." Wenn der Beschluss keine Mehrheit gefunden hätte, wäre er nämlich nicht zustande gekommen; und die Kategorie der "Einstimmigkeit" spielt in keinem Fall eine Rolle. Also sollten derartige Ergänzungen ohne Informationsgehalt unterbleiben. Ebenfalls nicht im Protokoll zu dokumentieren ist die Verkündung des Beschlussergebnisses. Aus einem diesbezüglichen "Schweigen" des Protokolls ist nicht zu schließen, dass die Beschlussverkündung unterblieben sei. Der von vielen Verwaltern standardisiert zu jedem Beschluss "protokollierte" Vermerk "Der Versammlungsleiter verkündete das Erg...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge