1. Protokollberichtigung vs. Beschlussanfechtung
Rz. 155
Protokolle entsprechen mitunter nicht der Wahrheit, indem z.B.
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das Ergebnis der Beschlussfeststellung nicht stimmt (dazu nachfolgend), |
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der protokollierte Beschlussinhalt nicht dem entspricht, was in der Versammlung besprochen bzw. beschlossen wurde (dazu Abschnitt 2 → § 7 Rdn 158), |
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der Wahrheit zuwider einzelnen Wohnungseigentümern Aussagen unterstellt oder wichtige Aussagen weggelassen oder im Protokoll anderweitige wahrheitswidrige Tatsachen behauptet werden (dazu Abschnitt 3 → § 7 Rdn 162). |
Rz. 156
Der Rechtsschutz gestaltet sich jeweils verschieden. In der ersten Variante der vorstehenden Auflistung – materiell falsche Beschlussfeststellung – kann der fehlerhafte Beschluss nur im Wege der Beschlussanfechtung korrigiert werden.
Rz. 157
Beispiel
Auf der Eigentümerversammlung am 9.5.2022 steht zu TOP 3 der Abrechnungsbeschluss auf Basis der Jahresabrechnung 2021 zur Abstimmung. Es gilt der Abstimmungsmodus nach Köpfen. Die Abstimmung ergibt das Ergebnis: 6 Ja-Stimmen, 7-Nein-Stimmen, 2 Enthaltungen. Der Verwalter verzählt sich (absichtlich oder versehentlich) und verkündet als Ergebnis: "Jahresabrechnung genehmigt". So steht es später auch im Protokoll. Das Ergebnis ist materiell falsch, weil tatsächlich 7 Nein-Stimmen und 6 Ja-Stimmen vorlagen mit der Folge, dass der Verwalter die Ablehnung des Beschlusses hätte feststellen müssen. Das Protokoll ist in gewisser Weise sogar richtig, weil es wiedergibt, was der Verwalter in der Versammlung (fälschlich) verkündet hat. Für die Frage, ob und mit welchem Inhalt ein Beschluss zustande gekommen ist, kommt es allein auf die Feststellung des Versammlungsleiters an (→ § 5 Rdn 133). Es ist deshalb nicht das Protokoll zu korrigieren, vielmehr ist der Beschluss rechtswidrig und auf Anfechtung hin gerichtlich für ungültig zu erklären.
2. Fehlerhafte Protokollierung von Beschlüssen
Rz. 158
Beispiel
Im vorstehenden Beispiel stellt der Versammlungsleiter zutreffend Folgendes fest: "6 Ja-Stimmen, 7-Nein-Stimmen, 2 Enthaltungen; Jahresabrechnung abgelehnt." Im Protokoll steht später aber etwas anderes: "7 Ja-Stimmen, 6-Nein-Stimmen, 2 Enthaltungen; Jahresabrechnung genehmigt."
Rz. 159
In diesem Fall besteht ein Anspruch auf Protokollberichtigung. Eine Klage auf Protokollberichtigung entsprechend dem Muster im nächsten Abschnitt wäre möglich. Vorzugswürdig ist aber eine Feststellungsklage ("Beschlussberichtigungsklage") gem. §§ 256 ZPO, 43 Abs. 2 Nr. 2 WEG. Die rechtskräftige gerichtliche Beschlussfeststellung ist "allgemeinverbindlich"; eine gesonderte Protokollberichtigung erübrigt sich.
Rz. 160
Muster 7.11: Antrag bei Klage auf Feststellung des Beschlussinhalts
Muster 7.11: Antrag bei Klage auf Feststellung des Beschlussinhalts
[Rubrum wie → § 13 Rdn 56]
Es wird festgestellt, dass in der Eigentümerversammlung vom 9.5.2022 zu TOP 3 der beantragte Beschluss über Nachschüsse und Anpassung der Vorschüsse auf Basis der Jahresabrechnung 2021 nicht zustande kam und dass das Protokoll (Erstellungsdatum 8.6.2022) insofern falsch ist.
Rz. 161
Für diese Klage gilt die einmonatige Anfechtungsfrist nicht (str.).
Beispiel
Im vorstehenden Beispiel erhält Miteigentümer A das fehlerhafte Protokoll am 8.6.2022. Am 10.6.2022 reicht A beim Amtsgericht Klage auf Feststellung des richtigen Beschlussinhalts (oder auf Protokollberichtigung) ein. – Der Erfolg der Klage hängt davon ab, ob für den Feststellungs-/Berichtigungsanspruch die Monatsfrist analog § 45 Abs. 1 S. 1 WEG gilt. Teilweise wird vertreten, dass alle Streitigkeiten über den Inhalt eines Beschlusses binnen Monatsfrist oder – bei verspätetem Erhalt des Protokolls – wenigstens innerhalb der 2-wöchigen Wiedereinsetzungsfrist bei Gericht anhängig gemacht werden. Nach dieser Auffassung ist die Klage des A (der keinen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gestellt hat) verfristet. Richtigerweise ist aber die Feststellung des Beschlussergebnisses durch den Versammlungsleiter entscheidend und nicht das Protokoll; die Klage des A ist nicht verfristet.
3. Protokollberichtigung bei sonstigen Protokollfehlern
Rz. 162
Wenn der Verwalter sich nicht auf die bloße Wiedergabe der Beschlüsse beschränkt, muss seine Wiedergabe des Versammlungsverlaufs zutreffend, ausgewogen und neutral sein. Insbesondere sind überzogene Wertungen, Schärfen, Bloßstellungen und Diskriminierungen unzulässig. Genügt das Protokoll diesen Anforderungen nicht, hat jeder Miteigentümer im Prinzip einen Anspruch auf Berichtigung, Ergänzung oder Streichung. In jüngerer Zeit wird von manchen Gerichten aber das Rechtsschutzbedürfnis für eine Berichtigungsklage verneint, wenn die beantragte Änderung keine Auswirkung auf die Auslegung der gefassten Beschlüsse hat. Diese Voraussetzung liegt praktisch nie vor. Diese Rspr. legitimiert das Erstellen u...