I. Verfügungen unter Lebenden und erbvertragliche Bindung
Rz. 1
Nach den allgemeinen Regeln des Vertragsrechts (§§ 145 ff. BGB) werden die vertraglich vereinbarten Anordnungen mit Vertragsabschluss bindend, d.h. unwiderruflich. Die Wirkungen des Erbvertrags als einer Verfügung von Todes wegen treten aber erst mit dem Erbfall ein.
II. Rechtsstellung des Bedachten
1. Tatsächliche Anwartschaft des Bedachten
Rz. 2
Der vertragsmäßig Bedachte, der nicht Vertragspartner ist, erwirbt mit dem Abschluss des Erbvertrags – trotz eingetretener Bindung – weder einen künftigen Anspruch noch eine Anwartschaft, sondern nur eine "tatsächliche Aussicht" auf den Erwerb, die noch keinen Rechtsboden für die Eintragung einer Vormerkung im Grundbuch abgeben kann. Der Erblasser könnte den Erbvertrag mit dem Vertragspartner trotz der Zuwendungen an einen Dritten jederzeit aufheben. Der Erbvertrag ist kein Vertrag zugunsten Dritter im Sinne von § 328 BGB.
Rz. 3
Ist der vertragsmäßig Bedachte zugleich Vertragspartner und besteht kein Rücktrittsrecht, so spricht man von einer Anwartschaft, nicht Anwartschaftsrecht, deren Bestehen zwar Gegenstand einer Feststellungsklage sein kann, die aber im Grundbuch ebenfalls nicht vormerkbar ist. Weder Aussicht noch Anwartschaft ist durch § 823 Abs. 1 BGB deliktsrechtlich geschützt und gewährt auch keinen Anspruch auf einstweilige Verfügung gegen Beeinträchtigungen durch den Erblasser.
Rz. 4
Etwas anderes gilt, wenn zusätzlich zum Erbvertrag ein Verfügungsunterlassungsvertrag geschlossen wurde.
Rz. 5
Auch wenn in einem Erbverzichtsvertrag zugunsten des Verzichtenden eine Erklärung enthalten ist, dieser erhalte nach dem Tode der beiden Eltern das Alleineigentum an einem Hausgrundstück, begründet diese keine Rechtsposition, die durch Eintragung einer Vormerkung für den Verzichtenden gesichert werden kann.
2. Umfang eines etwaigen Schadensersatzanspruchs
Rz. 6
Der potenzielle Erbe hat gegen den potenziellen Erblasser, der gegen ein erbvertraglich vereinbartes schuldrechtliches Verfügungsverbot im Hinblick auf vorhandenes Immobilienvermögen verstößt (Verfügungsunterlassungsvertrag siehe unten Rdn 8), keinen Anspruch auf Schadensersatz. Unter Zugrundelegung der Differenzhypothese ist bei Veräußerung des Grundstücks kein kausaler Schaden entstanden. Heißt es in einem Erbvertrag, dass ein Verstoß gegen das Verfügungsverbot zu einem Schadensersatzanspruch in Geld führt, so muss der gewollte Umfang des Schadensersatzanspruchs durch Auslegung des Erbvertrags ermittelt werden, §§ 133, 157 BGB. Kann hieraus keine ausreichend bestimmte, von den gesetzlichen Regelungen abweichende Rechtsposition des potenziellen Erben ermittelt werden, ist im Zweifel auf die gesetzlichen Voraussetzungen der §§ 249 ff. BGB abzustellen.
III. Rechtsstellung des Erblassers
1. Grundsatz
Rz. 7
Der Erblasser hat nach der ausdrücklichen Bestimmung des § 2286 BGB grundsätzlich die Freiheit, unter Lebenden über sein Vermögen oder über den (im Wege des Vermächtnisses) zugewandten Gegenstand zu verfügen. Dass der Zuwendungsempfänger dadurch betroffen wird, nimmt das Gesetz in Kauf.
2. Zusätzlicher Verfügungsunterlassungsvertrag
Rz. 8
Der Erblasser kann sich in einem schuldrechtlichen Vertrag zusätzlich verpflichten, über den Gegenstand der erbvertraglichen Anordnung nicht zu verfügen (§ 137 S. 2 BGB). Dieser Vertrag bedarf, auch wenn er sich auf Grundstücke bezieht, keiner Form und kann deshalb auch stillschweigend geschlossen werden; allerdings sind an seinen Nachweis dann strenge Anforderungen zu stellen. Er ist Rechtsgeschäft unter Lebenden. Ein solcher zusätzlicher Verfügungsunterlassungsvertrag wirkt aber nur schuldrechtlich; Verfügungen, die dagegen verstoßen, sind wirksam. Allerdings macht sich der Erblasser schadenersatzpflichtig mit der Folge, dass für diese Nachlassverbindlichkeit die Erben haften, §§ 1967, 2058 BGB.
Eine erbvertragliche Regelung, die für den Fall des Verstoßes gegen ein Verfügungsverbot über Immobilien eine Schadensersatzpflicht in Geld vorsieht, kann als – wirksames – Vertragsstrafenversprechen auszulegen sein, wobei sich die Höhe der versprochenen Strafleistung bei sachgerechter Auslegung am gegenwärtigen Immobilienwert zu orientieren hat.
Rz. 9
Der Unterlassungsanspruch auf Nichtvornahme einer Verfügung ist im Grundbuch nicht durch Vormerkung sicherbar, wohl aber kann er gesichert werden durch ein im Wege der einstweiligen Verfügung erreichbares gerichtliches Verfügungsverbot nach § 938 Abs. 2 ZPO.
Formulierungsbeispiel: Verfügungsunterlassungsvertrag
I. Erbvertrag …
II. Verfügungsunterlassungsvertrag
Im Hinblick darauf, dass Frau ... sich in dem gegenwärtigen Erbvertrag verpflichtet hat, den Erblasser zu pflegen, sie dafür kein Entgelt erhält, der Erblasser ihr deshalb sein unbebautes Grundstück in ..., Gemarkung ... Flst Nr. ... erbvertraglich bindend als Vermächtnis zugewandt hat, verpflichtet sich der Erblasser gegenüber Frau ... hiermit, über dieses zuvor bezeichnete...