Dr. iur. Klaus-Peter Horndasch
Rz. 403
Häufig wird der Unterhaltsverpflichtete bestrebt sein, im "Tausch" mit großzügigeren Regeln gerade im Bereich des Betreuungsunterhalts einen Verzicht hinsichtlich anderer – weiterer – Unterhaltstatbestände zu erkaufen.
Hier ist es von erheblicher Bedeutung, den Stellenwert einzelner Ansprüche nach obergerichtlicher Rechtsprechung zu kennen und – nachweisbar – über die Elemente des Verzichts und über deren Tragweite (z.B. Verzicht auf Krankheitsunterhalt, Vorsorgeunterhalt etc.) aufgeklärt zu haben.
Rz. 404
Hinweis
Niemand irrt sich so gern und ist so wenig von einem Rechtsanwalt und/oder einem Notar aufgeklärt worden wie derjenige, der später meint, entgegen einem Vertrag noch Ansprüche geltend machen zu können.
a) Unterhaltsverstärkung mit Unterhaltsverzicht
Rz. 405
An erster Stelle im "Unterhaltsranking" steht der Betreuungsunterhalt. Im Grundsatz können die Abstufungen, die der BGH betr. Unterhalt zur "Kernbereichslehre" vorgenommen hat, zur Grundlage herangezogen werden.
1. Stufe: |
Unterhalt wegen Kindesbetreuung gem. § 1570 BGB; grundsätzlich unverzichtbar; |
2. Stufe: |
Alters- und Krankheitsunterhalt gem. §§ 1571, 1572 BGB sowie als vorweggenommener Altersunterhalt der Versorgungsausgleich: ebenfalls hochrangige Einstufung, aber vertraglichen Regelungen zugänglich, besonders bei Ehe- und Vertragsschluss von Ehegatten in fortgeschrittenem Alter mit gesicherter Lebensstellung, bei einer Ehe von kurzer Dauer zwischen wirtschaftlich eigenständigen jüngeren Eheleuten oder dann, wenn die Krankheit bereits bei Eheschließung vorhanden war; |
3. Stufe: |
Unterhalt wegen Erwerbslosigkeit nach § 1573 I u. IV BGB; eher disponibel, weil schon § 1573 IV BGB das Risiko der Erwerbslosigkeit auf den Berechtigten verlagert; |
4. Stufe: |
Krankenvorsorge- und Altersvorsorgeunterhalt: disponibel; Ausnahme: Zuordnung zum Ausgleich ehebedingter Nachteile; |
5. Stufe: |
Die übrigen Unterhaltstatbestände wie Ausbildungs- (§ 1575 BGB) und Aufstockungsunterhalt (§ 1573 Abs. 2 BGB): am ehesten verzichtbar. |
Rz. 406
Kürzungen bei nachgeordneten Unterhaltstatbeständen sind deshalb bei gleichzeitiger Unterhaltsverstärkung höherrangiger Bereiche durchaus möglich. Die Rechtsprechung ist insoweit allerdings nicht einheitlich. So hat der BGH entgegen der Auffassung des OLG Celle die Beschränkung auf die Vereinbarung ausschließlich des Betreuungsunterhalts unter Ausschluss aller weiteren Unterhaltstatbestände in einem konkreten Fall akzeptiert.
Solche Konstellationen werden aber immer der Wertung des Einzelfalls unterliegen und damit den Bewertungsmaßstäben, wie sie vom konkreten "Tatrichter" gesehen werden.
Rz. 407
Soyka erklärt dazu allerdings völlig zu Recht, dass Einzelfallgerechtigkeit den Weg für die Einflussnahme durch die Wertvorstellungen der Richter erst eröffnet:
Zitat
Dadurch wird das Ziel, das durch die Einzelfallgerechtigkeit erreicht werden soll, nämlich eine Lösung zu finden, die genau dem Einzelfall gerecht wird, stark relativiert, weil es nach den Vorstellungen der Richter unterschiedliche Auffassungen gibt, wie diese Lösung auszusehen hat, die den Einzelfallumständen gerecht wird.
Dies bedeutet für den beratenden Rechtsanwalt, sehr intensiv zu prüfen, ob eine von den Beteiligten vorgesehene Konstellation unbedenklich ist und im Falle von Bedenken in aller Deutlichkeit hierauf hinzuweisen oder aber sich die Freistellung von jeglicher Haftung für den konkreten Sachverhalt attestieren zu lassen.
Rz. 408
Hinweis
Eine solche Freistellung ist aber nur dann wirksam, wenn sie den zugrunde liegenden Sachverhalt, die rechtlichen oder tatsächlichen Bedenken und die möglichen Gefahren konkret beschreibt.
b) Unterhaltsverstärkung mit Güterrechtsverzicht
Rz. 409
Eine Unterhaltsverstärkung verbunden mit einem teilweisen oder vollständigen güterrechtlichen Verzicht begegnet solange und soweit keinerlei Bedenken, als die Parität, die ausgeglichene Belastung erhalten bleibt.
Grundsätzlich gilt die volle Vertragsfreiheit bei der Wahl des Güterstandes. Beteiligte können zu jeder Zeit ihren Güterstand wählen und auch vermögensrechtliche Entscheidungen treffen. Hier gilt nicht die notwendige Einhaltung von gleichen Lebensrisiken für beide Ehepartner.
Rz. 410
Allerdings kann es Fälle einer "Ausübungskontrolle" von Verzichtsvereinbarungen geben, in denen die Frage ehelicher Solidarität nach § 242 BGB hinterfragt wird, z.B. bei fehlender unterhaltsrechtlicher Auffangfunktion.
Dies bedeutet, dass regelmäßig eine erweiterte Unterhaltsregelung und ein – partieller – Vermögensverzicht möglich und unbedenklich sind, begrenzt von der deutlich entstehenden Schieflage, die den Anforderungen ehelicher Solidarität nicht – mehr – genügen.