a) Allgemeines

 

Rz. 189

Der Anspruch auf Wertermittlung ist, anders als der Anspruch auf Auskunft, nicht auf die Übermittlung von Wissen gerichtet, sondern auf die Verpflichtung, den Wert des Nachlasses oder einzelner Nachlassgegenstände zu ermitteln, meist also schätzen zu lassen. Der Anspruch auf Wertermittlung ist streng von dem auf Auskunft zu trennen und sollte auch im Klageantrag nicht vermischt werden. Der häufig anzutreffende Klageantrag "Auskunft durch Vorlage eines Sachverständigengutachtens zu erteilen" ist daher in sich widersprüchlich.[365] So hat der BGH[366] dargelegt, dass es beim Auskunftsanspruch nach § 2314 Abs. 1 S. 1 BGB um die Weitergabe von Wissen geht, das der Beklagte hat oder sich verschaffen muss. Die Wertermittlung nach § 2314 Abs. 1 S. 2 BGB ist dagegen nicht auf eine Äußerung des Beklagten über seine Wertvorstellungen gerichtet. Sie ist von den Vorstellungen des Verpflichteten völlig unabhängig und durch eine dritte Person (Sachverständigen) zu erbringen. Ein Anspruch auf Ergänzung eines Wertermittlungsgutachtens besteht grundsätzlich nicht, weil dem Gutachten die Funktion zukommt, das Prozesskostenrisiko eines Rechtsstreites einzuschätzen und keine Meinungsverschiedenheiten über den Wert zu entscheiden.[367]

[365] BGHZ 89, 24, 28.
[366] BGHZ 89, 24.
[367] BGHZ 107, 200; OLG Karlsruhe ZEV 2004, 468.

b) Wertermittlungsanspruch

aa) Wertermittlungsanspruch des Pflichtteilsberechtigten gegen den Erben

 

Rz. 190

In der Praxis erfolgt die Wertermittlung in der Regel durch das Gutachten eines unabhängigen Sachverständigen. Der Anspruch auf Bewertung durch ein Sachverständigengutachten besteht neben dem Recht auf Vorlage der für die Wertberechnung erheblichen Unterlagen.[368] Kann der Wert nur durch ein Sachverständigengutachten festgestellt werden (bspw. bei bebauten Grundstücken), dann genügt es, wenn die Unparteilichkeit eines Sachverständigen gegeben ist. Ein Anspruch auf ein Gutachten eines öffentlich vereidigten Sachverständigen besteht dagegen nicht.[369]

 

Rz. 191

Das Gutachten ist für die Parteien grundsätzlich unverbindlich und soll dem Pflichtteilsberechtigten die Möglichkeit bieten, den Pflichtteilsanspruch im Klageantrag möglichst genau beziffern zu können. Dennoch sollte sich der Pflichtteilsberechtigte zweckmäßigerweise die Unverbindlichkeit des Gutachtens im Antrag vorbehalten, um einer eventuellen Auslegung in einen Schiedsgutachtervertrag vorzubeugen. So hat das OLG Hamm in einem Fall, in dem es um die Bewertung der Zugewinnausgleichsforderung ging, aus dem Schriftwechsel der Anwälte geschlossen, dass das Gutachten des einverständlich beauftragten Sachverständigen die Grundlage der Bewertung und Abrechnung sein sollte.[370]

 

Rz. 192

Wie bereits erwähnt, ist der Auskunftsanspruch gem. § 2314 BGB analog auch gegenüber dem vom Erblasser Beschenkten anzuwenden. Der Wertermittlungsanspruch hingegen kann nur gegenüber dem Erben geltend gemacht werden, da die Kosten dem Nachlass aufzuerlegen sind.[371]

 

Rz. 193

Nach Ansicht des BGH besteht seitens des Pflichtteilsberechtigten der Anspruch auf Wertermittlung nur, wenn die Zugehörigkeit des zu schätzenden Gegenstands zum Nachlass unstreitig ist oder vom Pflichtteilsberechtigten bewiesen wird.[372] Besteht lediglich der Verdacht, dass ein bestimmter Gegenstand innerhalb der Frist des § 2325 BGB verschenkt wurde, dann steht dem Pflichtteilsberechtigten neben dem Auskunftsanspruch nicht auch noch ein Wertermittlungsanspruch zu.[373]

 

Hinweis

In der Praxis ist darauf zu achten, dass der Klageantrag auf Wertermittlung nur dann gestellt wird, wenn auch tatsächlich feststeht, dass der zu begutachtende Gegenstand zum Nachlass gehört.

 

Rz. 194

Der Pflichtteilsberechtigte hat Anspruch auf eine Wertermittlung, die es ihm ermöglicht, sich ein umfassendes Bild über den Wert des Nachlasses zu machen. Ist hierfür das Gutachten eines Sachverständigen erforderlich, reicht es nach der Rechtsprechung des BGH nicht aus, wenn sich der Sachverständige bei der Wertermittlung lediglich für ein Bewertungsverfahren (Ertragswertverfahren) entscheidet und nur dieses zur Disposition stellt.[374] Um den Anspruch aus § 2314 BGB erfüllen zu können, muss der Sachverständige in seinem Gutachten alle Kriterien erfüllen, die notwendigerweise an die Sachverständigentätigkeit gestellt werden, d.h., der Sachverständige hat nach wissenschaftlichen Grundsätzen erst einmal alle Bewertungsverfahren heranzuziehen und dann, nach einem Vergleich, sich für eine Bewertungsmethode zu entscheiden.[375] Er kann nicht eine Einschränkung dadurch vornehmen, dass er sich von vornherein für nur eine Bewertungsmethode entscheidet.[376]

Gehört zum Nachlass ein Unternehmen oder eine Unternehmensbeteiligung, hat der Pflichtteilsberechtigte einen Anspruch auf Vorlage von Bilanzen, Gewinn- und Verlustrechnungen sowie der zugrundeliegenden Geschäftsbücher und Belege für die fünf zurückliegenden Jahre vor dem Todestag des Erblassers sowie auf Einholung und Vorlage eine Gutachtens eines unparteilichen Sachverständigen. Der Anspruch auf Einholung eines Sachverständigengutachtens entfällt nicht durch eine Veräußerung des Un...

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