Rz. 174
Die Veräußerung eines ganzen Betriebs bzw. Teilbetriebs unterliegt ebenso wie die Betriebsaufgabe gemäß §§ 16, 34 EStG einer ermäßigten Besteuerung. Voraussetzungen hierfür sind,
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dass alle wesentlichen Betriebsgrundlagen |
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in einem einheitlichen Vorgang |
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auf einen Erwerber übertragen werden und |
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der Veräußerer seine in diesem Betrieb entfaltete Tätigkeit endgültig einstellt. |
Ein einheitlicher Vorgang kann auch bei mehreren Teilveräußerungen in einem engen sachlichen, wirtschaftlichen und zeitlichen Zusammenhang vorliegen. Die Veräußerung an mehrere Erwerber stellt grundsätzlich keine Betriebsveräußerung dar; möglicherweise ist sie allerdings als Betriebsaufgabe i.S.v. § 16 Abs. 3 EStG anzusehen.
Rz. 175
Eine Betriebsaufgabe liegt vor, wenn
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die bisherige betriebliche Tätigkeit endgültig eingestellt wird |
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alle wesentlichen Betriebsgrundlagen innerhalb kurzer Zeit und in einem einheitlichen Vorgang an verschiedene Erwerber veräußert und/oder in das Privatvermögen überführt werden und |
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der Betrieb als selbstständiger Organismus endgültig aufhört zu bestehen. |
Rz. 176
Weder Betriebsveräußerung noch Betriebsaufgabe liegen demzufolge vor, wenn der Betrieb nur vorübergehend eingestellt wird (Betriebsunterbrechung) oder das Unternehmen allmählich abgewickelt wird. Diese Vorgänge sind zwar steuerlich alles andere als irrelevant; die hierbei erzielten steuerlichen Gewinne sind im Zweifelsfall nicht geringer als bei Betriebsaufgaben bzw. Betriebsveräußerungen i.S.v. § 16 EStG. Es kommt dann jedoch keine steuerliche Begünstigung in Frage.
Rz. 177
Werden nicht alle wesentlichen Betriebsgrundlagen mitveräußert, kann auch dies zu einer Versagung der in Betracht kommenden Vergünstigungen führen. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die nicht mitverkauften wesentlichen Betriebsgrundlagen weiterhin im Betriebsvermögen (z.B. eines anderen Betriebs des Steuerpflichtigen) bleiben. Werden sie stattdessen im Zuge der Betriebsveräußerung in das Privatvermögen überführt, liegt eine Betriebsaufgabe i.S.v. § 16 Abs. 3 EStG vor. Es sind dann für die ins Privatvermögen überführten Wirtschaftsgüter die gemeinen Werte anzusetzen; die steuerlichen Begünstigungen können ggf. in Anspruch genommen werden. Behalten aber die zurückbehaltenen Wirtschaftsgüter ihre Betriebsvermögenseigenschaft, z.B. weil sie in einem anderen Betrieb des Steuerpflichtigen weiterhin eingesetzt werden, kann die Übertragung von dem einen Betriebsvermögen in das andere Betriebsvermögen zu Buchwerten erfolgen (§ 6 Abs. 3 bzw. § 6 Abs. 5 EStG). Es liegt dann jedoch für das veräußerte Vermögen weder eine Betriebsaufgabe noch eine Betriebsveräußerung vor, so dass steuerliche Begünstigungen nicht anwendbar sind.
Rz. 178
Was als wesentliche Betriebsgrundlage anzusehen ist, ergibt sich aus einer stark kasuistisch geprägten Rechtsprechung. Zunehmend findet eine weite Auslegung des Begriffs der wesentlichen Betriebsgrundlage Anwendung. Insbesondere zählen auch Bürogebäude, die nicht für die besonderen Belange des Unternehmens speziell ausgelegt bzw. hergerichtet sind, grundsätzlich zu den wesentlichen Betriebsgrundlagen. Voraussetzung ist lediglich, dass sie im Unternehmen tatsächlich genutzt werden.
Rz. 179
Der Wesentlichkeitsbegriff stellt im Übrigen nicht allein auf funktionale Kriterien ab. Maßgeblich ist vielmehr die sog. quantitative Betrachtungsweise, der zufolge Wirtschaftsgüter schon dann als wesentliche Betriebsgrundlagen klassifiziert werden können, wenn sie nennenswerte stille Reserven enthalten. Die Maßgeblichkeit der quantitativen Betrachtungsweise ist rein fiskalisch geprägt und daher dogmatisch bedenklich, sie entspricht jedoch der gefestigten höchstrichterlichen Rechtsprechung. Deren Rechtfertigung besteht allein in dem Gedanken, dass die Progressionsbegünstigung nach § 34 EStG einen Ausgleich für die Progressionswirkung infolge der geballten Aufdeckung stiller Reserven bewirken soll und daher nur zur Anwendung kommen kann, wenn tatsächlich alle stillen Reserven in einem einheitlichen Vorgang aufgedeckt werden.
Rz. 180
Soweit ein Aufgabe- bzw. Veräußerungsgewinn i.S.v. § 16 EStG vorliegt, kann hierfür gem. § 16 Abs. 4 EStG auf Antrag ein Freibetrag i.H.v. 45.000 EUR in Anspruch genommen werden, wenn der Veräußerer das 55. Lebensjahr vollendet hat oder dauernd berufsunfähig ist und die Begünstigungen von ihm bislang noch nicht in Anspruch genommen wurden. Der Freibetrag wird dem Steuerpflichtigen nur auf Antrag und auch nur einmal im Leben gewährt, und zwar nur für die vollständige Veräußerung seines Betriebs bzw. Mitunternehmeranteils (also sozusagen das letzte Prozent seiner Beteiligung, da nur dann ein Veräußerungsgewinn i.S.v. § 16 Abs. 1 Nr. 2 EStG vorliegt).
Die Höhe des Freibetrages mindert sich jedoch um den Betrag, um den der erzielte Veräußerungs- bzw. Aufgabegewinn einen Wert von 136.000 EUR übersteigt (Abschmelzung). Bei einem Veräußerungsgewinn von z.B. 175.200 EUR kommt deme...