Rz. 68

Im Hinblick auf eine gerechte Verteilung des "gesamtlebzeitigen Vermögens"[69] des Erblassers hat der Gesetzgeber des BGB das Rechtsinstitut der Ausgleichung in den §§ 2050 ff. BGB niedergelegt. Über § 2316 BGB findet die Ausgleichung unter Abkömmlingen auch Eingang in das Pflichtteilsrecht.[70]

Die Ausgleichung führt zu einer Art Umverteilung des Nachlasses unter den gesetzlich erbberechtigten Abkömmlingen mit der Folge, dass der den Abkömmlingen zustehende Teil des tatsächlich vorhandenen Nachlasses unter Berücksichtigung lebzeitig erfolgter, ausgleichungspflichtiger Zuwendungen verteilt wird.[71] Die Ausgleichung findet nur unter solchen Abkömmlingen statt, die entweder als gesetzliche Erben und mit identischen Quoten zur Erbfolge gelangen oder durch den Erblasser testamentarisch (bzw. durch Erbvertrag) mit identischen Quoten zur Erbfolge berufen wurden.[72] Ausgleichungspflichtige Zuwendungen sind gemäß § 2050 BGB so genannte Ausstattungen (§ 1624 BGB), Zuschüsse, die als Einkünfte dienen, und bestimmte Aufwendungen für die Berufsausbildung.[73]

 

Rz. 69

Die Anwendung der §§ 2050 ff. BGB ist aber dispositiv und findet nur dann statt, wenn der Erblasser keine hiervon abweichenden Anordnungen getroffen hat.[74] Es ist daher ohne weiteres möglich, entweder bei Ausführung der jeweiligen Zuwendung oder später[75] die Anwendbarkeit der Ausgleichungsvorschriften für bestimmte oder alle lebzeitigen auszuschließen. Darüber hinaus hat der Erblasser auch die Möglichkeit, den Anwendungsbereich der Ausgleichungsvorschriften zu erweitern, indem er für bestimmte lebzeitige Zuwendungen an Abkömmlinge die Ausgleichung ausdrücklich anordnet. Dies muss allerdings spätestens bei Ausführung der Zuwendung erfolgen. Eine spätere Anordnung ist grundsätzlich wirkungslos.[76]

 

Rz. 70

Die Ausgleichungsvorschriften kommen unabhängig von anders lautenden Anordnungen des Erblassers auch im Rahmen der Pflichtteilsberechnungen zum Tragen (§ 2316 BGB).[77] Die sich hieraus ergebenden Konsequenzen können – ungeachtet der Anordnungen des Erblassers/Schenkers im Übrigen – nur durch Pflichtteilsverzichtsverträge zwischen dem Erblasser/Schenker und dem bzw. den Pflichtteilsberechtigten vollständig vermieden werden.

[69] Wegen des Begriffs siehe Kerscher/Riedel/Lenz, Pflichtteilsrecht, § 8 Rn 4.
[71] Feick/Henn, in: Bonefeld/Wachter, Der Fachanwalt für Erbrecht, § 18 Rn 119.
[72] MüKo/Ann, § 2050 Rn 3, 4 m.w.N.
[73] MüKo/Ann, § 2050 Rn 1; Damrau/Tanck/Bothe, Praxiskommentar Erbrecht, § 2050 Rn 6; Feick/Henn, in: Bonefeld/Wachter, Der Fachanwalt für Erbrecht, § 18 Rn 120.
[74] MüKo/Ann, § 2050 Rn 1; Damrau/Tanck/Bothe, Praxiskommentar Erbrecht, § 2050 Rn 12; Feick/Henn, in: Bonefeld/Wachter, Der Fachanwalt für Erbrecht, § 18 Rn 121.
[75] Dann allerdings nur durch Vorausvermächtnis oder Erbvertrag, vgl. Damrau/Tanck/Bothe, Praxiskommentar Erbrecht, § 2050 Rn 17.
[76] Ausnahme: Die Ausgleichung wird später im Rahmen eines Erb- bzw. Pflichtteilsverzichtsvertrages mit dem von der Ausgleichung negativ betroffenen Beschenkten vereinbart, vgl. Damrau/Tanck/Lenz-Brendel, Praxiskommentar Erbrecht, § 2316 Rn 7; Damrau/Tanck/Bothe, Praxiskommentar Erbrecht, § 2050 Rn 16; vgl. auch Riedel, in: Bonefeld/Wachter, Der Fachanwalt für Erbrecht, § 20 Rn 98 m.w.N.
[77] Lenz-Brendel, in: Mayer/Süß/Tanck/Bittler, Handbuch Pflichtteilsrecht, § 6 Rn 7.

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