Rz. 99

Bei Personengesellschaftsanteilen hängt die ertragsteuerliche Beurteilung maßgeblich davon ab, ob der Nießbraucher als Mitunternehmer der Gesellschaft anzusehen ist, ob er also Mitunternehmerrisiko trägt und Mitunternehmerinitiative entfalten kann.[124] Diese Voraussetzungen sind erfüllt, wenn dem Nießbraucher bezüglich der Beteiligung Mitwirkungs- und Verwaltungsrechte zustehen und seine Rechtstellung daher wenigstens der eines Kommanditisten vergleichbar ist. Dies ist beim echten Nießbrauch, also beim Vollrechtsnießbrauch, grundsätzlich als gegeben anzunehmen,[125] nicht aber beim reinen Ertragsnießbrauch.[126]

 

Rz. 100

Soweit der Nießbraucher eine Mitunternehmerstellung innehat, ist der ihm zustehende Gewinnanteil als Teil der Einkünfte aus Gewerbebetrieb zu qualifizieren. Ihm sollte daher auch die Möglichkeit eröffnet sein, die auf seinen Gewinnanteil entfallende Gewerbesteuer nach § 35 EStG auf die Einkommensteuer anzurechnen.[127]

 

Rz. 101

Traditionell hat die Nießbrauchsbestellung und die damit verbundene Mitunternehmerstellung des Nießbrauchers keinen Einfluss auf die Mitunternehmerstellung des Eigentümers bzw. des Gesellschafters. Vielmehr ist bei diesem ebenfalls gesondert zu prüfen, ob und inwieweit er ein Mitunternehmerrisiko trägt und er gleichzeitig Mitunternehmerinitiative entfalten kann.[128] Im Hinblick darauf, dass der Gesellschafter trotz des Bestehens des Nießbrauchs die wirtschaftlichen Auswirkungen der Wertentwicklung des Anteils zu tragen hat, ist am Bestehen eines Mitunternehmerrisikos grundsätzlich nicht zu zweifeln.[129] Da der Nießbrauch auch nicht dazu führen kann, dass der Gesellschafter an der Ausübung der den Kernbereich seiner Gesellschafterstellung betreffenden Gesellschafterrechte gehindert wäre,[130] dürfte auch Mitunternehmerinitiative im Regelfall gegeben sein.[131]

Dessen ungeachtet geht der IV. Senat des BFH davon aus, dass ein (einziger) Gesellschaftsanteil auch nur eine einzige Mitunternehmerstellung vermitteln könne.[132] Ob sich diese Auffassung durchsetzt (und wenn ja, mit welchen Konsequenzen für die Gestaltung) ist derzeit noch nicht absehbar.

 

Rz. 102

Im Übrigen stellt sich vor dem Hintergrund des oben angesprochenen Urteils aus dem Jahr 2017[133] die Frage, ob die dort für die ertragsteuerneutrale Übertragung von Einzelunternehmen gestellten Anforderungen auch für die Übertragung von Anteilen an Personengesellschaften (sog. Mitunternehmeranteilen) anzuwenden sind.[134] Das sollte bereits angesichts des Gesetzeswortlauts in § 6 Abs. 3 S. 2 EStG ausgeschlossen sein, da dort ausdrücklich auch die Übertragung eines Teils eines Mitunternehmeranteils als steuerneutral privilegiert wird. Die vom BFH beim Einzelunternehmer geforderte vollständige Einstellung der gewerblichen/unternehmerischen Tätigkeit ließe sich hiermit nicht in Einklang bringen. Das sieht erfreulicherweise auch die Finanzverwaltung so.[135]

Mangels eindeutiger Klarstellung durch die jüngere Rechtsprechung[136] bleiben aber auch insoweit gewisse Restrisiken.[137]

 

Rz. 103

Soweit dem Gesellschafter ein nicht dem Nießbraucher zustehender Anteil am Gewinn verbleibt, zählt daher auch dieser regelmäßig zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb.[138] Diese sind vom Gesellschafter entsprechend zu versteuern.

[124] Schmidt/Wacker, EStG, § 15 Rn 306.
[125] BFH v. 1.3.1994 – VIII R 35/92, BStBl II 1995, 241, 245; Schmidt/Wacker, EStG, § 15 Rn 309 ff.
[126] Schmidt/Wacker, EStG, § 15 Rn 308.
[127] Vgl. Wälzholz, DStR 2010, 1930, 1934. Es ist allerdings darauf hinzuweisen, dass die Finanzverwaltung sich zum Thema der Gewerbesteueranrechnung bei Nießbrauchsverhältnissen bislang nicht geäußert hat und auch Rechtsprechung zum Thema nicht vorliegt.
[128] Vgl. Schmidt/Wacker, EStG, § 15 Rn 307.
[129] Vgl. Schmidt/Wacker, EStG, § 15 Rn 309 m.w.N.
[131] Anders aber, wenn der Nießbraucher – ausnahmsweise – alle Gesellschafterrechte wahrnehmen soll, vgl. BFH v. 23.2.2010 – II R 42/08, BStBl II 2010, 555; vgl. auch Wälzholz, DStR 2010, 1786, 1790; Wälzholz, DStR 2010, 1930, 1933.
[132] BFH v. 19.7.2018 – IV R 10/17, DStR 2018, 2372, Tz. 36; zustimmend Görgen, DStZ 2020, 607, 610; kritisch Hermes, FR 2018, 825, 832; ablehnend Götz, FR 2019, 605; vgl. auch Stein, ZEV 2019, 131, 135 sowie Blümich/Bode, EStG, § 15 Rn 264.
[134] Vgl. hierzu z.B. Stein, ZEV 2019, 131, 132 f. m.w.N.
[135] BMF v. 20.11.2019 – IV C 6 – S 2241/15/10003, DStR 2019, 25482, Tz. 7.
[136] In einigen FG-Entscheidungen wurde dieser Aspekt allerdings nicht weiter thematisiert, was an und für sich bereits eine gewisse Indikation bedeuten mag; vgl. FG Münster v. 28.8.2014 – 3 K 744/13 F, EFG 2015, 101 = ZEV 2015, 127 Ls. (Rev. II R 60/14 zurückgenommen).
[137] Stein, ZEV 2019, 131, 133.
[138] BFH v. 10.12.2008 – II R 34/07, DStR 2009, 321; Schmidt/Wacker, EStG, § 15 Rn 307.

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