Rz. 72
Erste Voraussetzung für die Anwendung des § 366 HGB ist, dass es sich bei dem Veräußerer um einen Kaufmann handelt. Abgelehnt wird dagegen von der herrschenden Meinung die Anwendung des § 366 HGB beim Erwerb vom sog. Scheinkaufmann analog § 5 HGB, § 242 BGB. Begründet wird dies damit, dass der von dem Scheinkaufmann veranlasste Rechtsschein nicht in die Rechtsposition unbeteiligter Dritter, hier also des wahren Eigentümers eingreifen könne. Demgemäß findet nach der herrschenden Meinung auch unter den Voraussetzungen des § 15 Abs. 1 HGB ein Schutz des gutgläubigen Erwerbers nicht statt.
Beispiel
Der noch im Handelsregister eingetragene Kaufmann K veräußert nach Einstellung seines Gewerbebetriebs eine Sache des E an den gutgläubigen D. Der D weiß zwar, dass K nicht Eigentümer ist, hält ihn aber mit Rücksicht auf die Eintragung im Handelsregister für einen Kaufmann.
Lösung
Hier ist zunächst festzuhalten, dass K kein Kaufmann nach § 2 HGB ist, da er seinen Betrieb eingestellt hat und kein Gewerbe mehr betreibt. Auch die Vorschrift des § 5 HGB setzt den Betrieb eines Gewerbes voraus. § 15 Abs. 1 HGB greift deshalb nicht ein, weil diese Vorschrift nur zulasten desjenigen wirkt, in dessen Angelegenheit die Tatsache einzutragen war. Dies ist im Beispielsfall aber allein der Kaufmann K als Verkäufer und nicht der wahre Eigentümer E.
Rz. 73
Weitere Voraussetzung für die Anwendung des § 366 Abs. 1 HGB ist die Gutgläubigkeit des Erwerbers im Hinblick auf die Verfügungsbefugnis des Veräußerers. Kenntnis und grob fahrlässige Unkenntnis stehen dabei gleich (§ 932 Abs. 2 BGB). Der Rechtsbegriff der "groben Fahrlässigkeit" ist revisibel, wohingegen die Feststellung, was im Einzelfall "grob fahrlässig" ist, eine nicht revisible Tatfrage ist.
Rz. 74
Die Prüfung, ob es infolge grober Fahrlässigkeit am guten Glauben beim Erwerb einer beweglichen Sache gefehlt hat, kann bei Anwendung von § 932 BGB und § 366 HGB zu unterschiedlichen Ergebnissen führen, denn der gute Glaube an die Verfügungsbefugnis eines Kaufmanns kann gerechtfertigt sein, selbst wenn ein guter Glaube an sein Eigentum durch grobe Fahrlässigkeit ausgeschlossen ist. So begründet z.B. der Umstand, dass ein Kfz-Händler den auf einen fremden Namen lautenden Kfz-Brief innehat, i.d.R. den Rechtsschein der Verfügungsbefugnis dieses Kfz-Händlers. Denn wer bei einem Autohändler den Wagen eines Dritten erwirbt, kann grds. darauf vertrauen, dass der Autohändler vom Dritten dazu ermächtigt worden ist. Man wird daher in diesen Fällen i.d.R. Gutgläubigkeit des Erwerbers annehmen dürfen. Etwas anderes gilt allerdings, wenn sich aufgrund besonderer Umstände der Veräußerung, wie z.B. einem ungewöhnlich niedrigen Preis oder Zeit und Ort des Geschäftsabschlusses, Verdachtsmomente aufdrängen, die normalerweise jeden zur Nachforschung bewegen würden.