Rz. 170
Die wichtigste Anspruchsgrundlage für die Haftung des Frachtführers ist § 425 HGB. Zu beachten ist, dass aus dem wirksamen Frachtvertrag gem. § 421 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 1 HGB auch der Empfänger anspruchsberechtigt ist. Daneben bleibt der Absender zur Geltendmachung befugt (§ 421 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 HGB).
Rz. 171
Anspruchsvoraussetzung ist der neben der Überschreitung der Lieferfrist Verlust oder die Beschädigung in der Zeit von der Übernahme zur Beförderung bis zur Ablieferung. Nach § 438 HGB wird eine Ablieferung in vertragsgemäßem Zustand vermutet, wenn ein Verlust oder eine Beschädigung des Gutes nicht rechtzeitig angezeigt werden. Sofern der Verlust oder die Beschädigung äußerlich erkennbar sind, hat die Anzeige spätestens bei Ablieferung des Gutes zu erfolgen (§ 438 Abs. 1 Satz 1 HGB), i.Ü. innerhalb von 7 Tagen nach Ablieferung (§ 438 Abs. 2 HGB).
Rz. 172
Die Haftung nach § 425 HGB ist verschuldensunabhängig. Nach § 426 HGB ist der Frachtführer aber von der Haftung befreit, wenn der Verlust, die Beschädigung oder die Überschreitung der Lieferfrist auf Umständen beruht, die er auch bei größter Sorgfalt nicht vermeiden und deren Folgen er nicht abwenden konnte. In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass der Frachtführer nach § 428 HGB Handlungen oder Unterlassungen seiner Leute im gleichen Umfang zu vertreten hat wie eigenes Verhalten. Bei § 428 HGB handelt es sich nicht um eine selbstständige Haftungsgrundlage, sondern lediglich um eine Zurechnungsnorm. § 427 HGB nennt weitere besondere Haftungsausschlussgründe. Dazu gehören z.B. die ungenügende Verpackung oder die ungenügende Kennzeichnung der Frachtstücke durch den Absender (vgl. § 427 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und 5 HGB). Diese Ausschlussgründe greifen allerdings nach § 435 HGB nicht ein, wenn der Schaden auf Vorsatz oder Leichtfertigkeit des Frachtführers oder seiner Leute beruht.
Rz. 173
Rechtsfolge des § 425 HGB ist die Verpflichtung zum Schadensersatz. Der Absender ist gem. § 421 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 HGB auch dann anspruchsberechtigt, wenn er als Verkäufer der beförderten Sache aufgrund der Gefahrtragungsregelung des § 447 BGB keinen Schaden erlitten hat. Dem liegt Folgendes zugrunde: Beim Versendungskauf geht die Preisgefahr gem. § 447 BGB mit der Ablieferung an die Transportperson auf den Käufer über. Der Verkäufer kann demzufolge auch bei Beschädigung oder Verlust der Sache den vollen Kaufpreis verlangen. Dieser Umstand hat nach herrschender Meinung zur Folge, dass ein Schaden beim Verkäufer gerade nicht entsteht. § 421 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 HGB stellt klar, dass der Verkäufer einen Schadensersatzanspruch hat, auch wenn begrifflich kein Schaden vorliegt. Durch diese Regelung und die damit verbundene Doppellegitimation wird die Gefahr des Anspruchsverlustes bei Geltendmachung des Anspruchs durch die falsche Vertragspartei vermieden.
Rz. 174
Der Umfang des Schadens bestimmt sich nach den §§ 429 ff. HGB. Gem. § 429 Abs. 1 HGB bemisst sich der Schadensersatz nach dem Wert des Gutes am Ort und zur Zeit der Übernahme zur Beförderung. Der danach zu leistende Ersatz ist der Höhe nach begrenzt (§§ 431, 432 HGB). Die Haftung des Frachtführers aus § 425 Abs. 1 HGB umfasst grds. keine Folgeschäden; insoweit sind auch außervertragliche Ansprüche gem. § 432 Satz 2 HGB ausgeschlossen. Folgeschäden werden allerdings ausnahmsweise dann ersetzt, wenn ein qualifizierter Verstoß i.S.d. § 435 HGB vorliegt. Sofern der Absender oder Empfänger bei sonstigen Vermögensschäden einen Anspruch aus § 280 Abs. 1 BGB hat, ist auch dieser Anspruch nach § 433 HGB der Höhe nach begrenzt. Schließlich gelten nach § 434 HGB die in den §§ 425 ff. HGB vorgesehenen Haftungsbefreiungen und Haftungsbegrenzungen auch für einen außervertraglichen Anspruch des Absenders oder Empfängers.