Rz. 50
Wenn bei einem beiderseitigen Handelsgeschäft die Abtretung von Forderungen daraus gem. § 399 BGB ausgeschlossen ist, so ist die Abtretung nach § 354a Abs. 1 Satz 1 HGB gleichwohl wirksam. Der Schuldner kann aber nach § 354a Abs. 1 Satz 2 HGB mit befreiender Wirkung an den bisherigen Gläubiger leisten. Die Vorschrift bezweckt, den Refinanzierungsspielraum mittelständischer Unternehmen zu sichern. Kaufleute sollen Forderungen aus Warenlieferungen und Dienstleistungen zur Kreditsicherung ggü. Kreditinstituten oder zur Absicherung ggü. Vorbehaltslieferanten oder zur Finanzierung durch Verkauf an Factoring-Institute verwenden können. Nach § 354a Abs. 1 Satz 3 HGB sind abweichende Vereinbarungen unwirksam. Im Wege der teleologischen Reduktion ist diese Vorschrift jedoch dahingehend auszulegen, dass eine nach und in Kenntnis der Abtretung erfolgte Vereinbarung des Schuldners mit dem Zessionar, Zahlungen künftig an diesen zu entrichten, nicht von der Verbotsnorm erfasst sind, denn § 354a Abs. 1 Satz 2 HGB dient allein dem Schutz des Schuldners.
1. Auswirkungen des § 354a Abs. 1 HGB auf den Eigentumserwerb beim verlängerten Eigentumsvorbehalt
Rz. 51
Sofern kein beiderseitiges Handelsgeschäft vorliegt, handelt der Vorbehaltskäufer beim Weiterverkauf als Nichtberechtigter, wenn er mit dem Abkäufer ein Abtretungsverbot vereinbart. Ein gutgläubiger Erwerb des Abkäufers scheidet aus, da dieser als bösgläubig anzusehen ist. Ist die Weiterveräußerung dagegen ein beiderseitiges Handelsgeschäft, so geht das Abtretungsverbot gem. § 354a Abs. 1 Satz 1 HGB ins Leere und der Abkäufer erwirbt das Eigentum nach den §§ 929 Satz 1, 185 Abs. 1 BGB vom Berechtigten.
Rz. 52
Diese Rechtslage wird durch folgendes Beispiel veranschaulicht:
Beispiel
Der Verkäufer V liefert unter verlängertem Eigentumsvorbehalt Waren an den Käufer K. Der Käufer K veräußert diese weiter an den Abkäufer A, wobei Abkäufer A und Käufer K ein Abtretungsverbot vereinbaren. Unterstellt werden soll, dass beim hier in Rede stehenden Eigentumsvorbehalt – wie üblich – der Verkäufer V dem Käufer K gem. § 185 Abs. 1 BGB eine Ermächtigung zur Weiterveräußerung unter der Voraussetzung erteilt hat, dass die Forderung aus der Weiterveräußerung an den Vorbehaltsverkäufer V abgetreten wird. Im Hinblick auf den Eigentumserwerb des A an den kaufgegenständlichen Waren stellt sich die Frage, ob es insoweit einen Unterschied ausmacht, dass sowohl K als auch A Kaufleute sind.
Lösung (kein beiderseitiges Handelsgeschäft)
Sofern es sich bei dem Veräußerungsgeschäft zwischen dem Vorbehaltskäufer K und dem Abkäufer A nicht um ein beiderseitiges Handelsgeschäft handelt, ist das Abtretungsverbot wirksam. Da die Forderung nicht abgetreten werden kann, greift auch die Ermächtigung zur Weiterveräußerung für diesen Fall nicht ein und der Vorbehaltskäufer K handelt als Nichtberechtigter. Ein gutgläubiger Erwerb des Abkäufers A gem. §§ 929 Satz 1, 932 Abs. 1 Satz 1 BGB oder gem. §§ 929 Satz 1, 932 Abs. 1 Satz 1 BGB i.V.m. § 366 Abs. 1 BGB scheidet aus, denn die Vereinbarung des Abtretungsverbots zeigt, dass der Abkäufer A mit einem verlängerten Eigentumsvorbehalt rechnet. Der Abkäufer handelt grob fahrlässig, wenn er keine weiteren Erkundigungen einzieht.
Lösung (beiderseitiges Handelsgeschäft)
Stellt die Weiterveräußerung aber ein beiderseitiges Handelsgeschäft dar, geht das Abtretungsverbot gem. § 354a Abs. 1 Satz 1 HGB ins Leere, da die Abtretung wirksam ist. Der Vorbehalt, unter dem die Ermächtigung zur Weiterveräußerung erteilt ist, nämlich die Abtretung der Forderung, wirkt sich in diesem Fall nicht aus. Da die Abtretung nach § 354a Abs. 1 Satz 1 HGB wirksam ist, hat der Vorbehaltskäufer K als Berechtigter gem. §§ 929 Satz 1, 185 Abs. 1 BGB an den Abkäufer A verfügt, mit der Folge, dass A in diesem Fall Eigentümer der Waren geworden ist.
2. Leistung i.S.d. § 354a Abs. 1 Satz 2 HGB
Rz. 53
Nach § 354a Abs. 1 Satz 2 HGB kann der Schuldner mit befreiender Wirkung an den bisherigen Gläubiger leisten. Als Leistung im Sinne dieser Vorschrift sind nicht nur die Erfüllung, sondern auch die Erfüllungssurrogate anzusehen (wohingegen § 354a Abs. 1 Satz 2 HGB nicht zum Abschluss eines Vergleichs berechtigt). So kann der Schuldner ggü. dem bisherigen Gläubiger insb. die Aufrechnung erklären. Da § 354a Abs. 1 Satz 2 HGB Spezialvorschrift zu § 406 BGB ist, kommt es anders als in § 406 BGB nicht darauf an, ob und wann der Schuldner Kenntnis von der Abtretung erlangt hat.
3. Geltung des Abtretungsverbots bei Darlehensforderungen eines Kreditinstituts (§ 354a Abs. 2 HGB)
Rz. 54
Durch das Risikobegrenzungsgesetz vom 12.8.2008 ist dem § 354a HGB unter Beibehaltung des bisherigen Wortlauts des Abs. 1 ein neuer Abs. 2 angefügt worden. Danach ist § 354a Abs. 1 HGB nicht auf eine Forderung aus einem Darlehensvertrag anzuwenden, deren Gläubiger ein Kreditinstitut i.S.d. Kreditwesengesetzes ist.