I. Allgemeine Grundlagen
Rz. 14
Betrachtet man die Umstände, unter denen Telearbeit geleistet wird, liegt es auf der Hand, die Frage nach der rechtlichen Einordnung dieser Tätigkeit zu stellen. Umgangssprachlich wird üblicherweise jeder, der im Homeoffice arbeitet, also Telearbeit verrichtet, auch als Telearbeitnehmer bezeichnet. Ob es sich jedoch bei den betreffenden Personen tatsächlich um Arbeitnehmer handelt oder ob in einem sonstigen Rechtsverhältnis Telearbeit erbracht wird, muss anhand jedes Einzelfalles geprüft werden.
Rz. 15
Ob jemand als Arbeitnehmer einzuordnen ist, bestimmte sich bisher nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts danach, ob er aufgrund eines privatrechtlichen Vertrages im Dienste eines anderen zur Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet ist. Diese Definition hat der Gesetzgeber für die Umschreibung des Arbeitsvertrages in § 611a Abs. 1 S. 1 BGB zugrunde gelegt und dabei die gefestigte Rechtsprechung zum Arbeitnehmerbegriff übernommen. Das Arbeitsverhältnis ist ein auf den Austausch von Arbeitsleistungen und Arbeitsentgelten gerichtetes Dauerschuldverhältnis. Die vertraglich geschuldete Leistung ist dabei im Rahmen einer von Dritten bestimmten Arbeitsorganisation zu erbringen. Da nunmehr eine gesetzliche Definition des Arbeitsvertrages existiert, bedarf es keines Rückgriffs mehr auf § 84 Abs. 1 S. 1 HGB. Hier dient nun der § 611a Abs. 1 S. 3 BGB zur Abgrenzung. Ob jemand in persönlicher Abhängigkeit seine Dienste leistet, ist in der Praxis jedoch vielfach nur schwierig festzustellen. Denn nur, wenn dieses (neben den weiteren Kriterien) zu bejahen ist, ist davon auszugehen, dass es sich bei dem Betroffenen um einen Arbeitnehmer handelt, auf den dann die Vorschriften des Arbeitsrechts Anwendung finden sollen. Dabei ist darauf hinzuweisen, dass hier ein Alles-oder-Nichts-Prinzip gilt. Unabhängig von der konkreten Schutzbedürftigkeit einer Person folgt aus der Einordnung eines Betroffenen als Arbeitnehmer, dass dieser sich dann auf sämtliche Arbeitnehmerschutzrechte berufen kann. Abgesehen von der Sondergruppe der sogenannten leitenden Angestellten, für die die Rechtsordnung bisweilen Ausnahmen vorsieht, folgt also aus der Einordnung einer Person als Arbeitnehmer, dass dieser einem für alle Arbeitnehmer geltenden einheitlichen Schutzniveau unterstellt wird.
Rz. 16
Ob der Betreffende in eine fremde Arbeitsorganisation eingegliedert ist, zeigt sich nach der herrschenden Auffassung insbesondere darin, dass der Betreffende dem Weisungsrecht des Vertragspartners unterliegt, welches sich – wie gesagt – sowohl auf den Inhalt als auch auf Durchführung, Zeit, Dauer und Ort der Tätigkeit beziehen kann. Hierbei ist es aber nicht ein einzelnes Kriterium, welches den Ausschlag gibt, sondern das Bundesarbeitsgericht nimmt regelmäßig eine wertende Gesamtbetrachtung vor, um eine Person dem Typus des Arbeitnehmers oder des Selbstständigen zuzuordnen. Dementsprechend ordnet auch § 611a Abs. 1 S. 5 BGB an, dass für die Feststellung, ob ein Arbeitsvertrag vorliegt, eine Gesamtschau der Umstände zu erfolgen hat. § 611a Abs. 1 S. 6 BGB stellt darüber hinaus klar, dass bei einer Diskrepanz zwischen der Bezeichnung des Rechtsverhältnisses und der tatsächlichen Durchführung letztere entscheidend ist für die Einordnung – die Bezeichnung ist dann insoweit irrelevant. Im Rahmen dieser Gesamtschau berücksichtigt die Rechtsprechung auch, wenn der Betroffene aufgrund von durch den Dienstgeber gesetzten Vorgaben in eine bestimmte Richtung gelenkt wird. So genügt es für die Annahme der Arbeitnehmereigenschaft, wenn einem sog. Crowdworker die Durchführung der von ihm zu erledigenden Aufgaben inhaltlich vorgegeben wird und die Auftragsvergabe und die konkrete Nutzung einer Online-Plattform im Sinne eines Fremdbestimmens durch den sog. Crowdsourcer gelenkt wird. Damit kommt es also noch nicht einmal darauf an, dass sich im Einzelfall Weisungen feststellen lassen. Es genügt vielmehr, dass der Betreffende in einem System eingebunden wird, das dazu führt, dass er nicht selbstbestimmt über das "Ob" und das "Wie" seiner Leistungserbringung entscheiden kann.
Rz. 17
Bei einem im Homeoffice Beschäftigten ist insbesondere die örtliche Weisungsgebundenheit nicht unproblematisch. Zwar liegt in der Regel ein Arbeitsverhältnis vor, wenn der Leistende verpflichtet ist, die Arbeit an einem bestimmten Ort zu erbringen. Selbst Tätigkeiten von Außendienstmitarbeitern können in diesem Sinne einer örtlichen Weisungsgebundenheit unterliegen, wenn sich aus der Art der Tätigkeit ergibt, dass diese nur an bestimmten Orten zu erbringen ist. Allerdings ist nicht zu verkennen, dass bei einigen Tätigkeiten die örtliche Weisungsbindung entfällt. Dies bedeutet aber im Umkehrschluss nicht unbedingt, dass es sich bei solchen Tätigkeiten nicht um Arbeitsverhältnisse handelt. Vielmehr wird in diesen Fällen die örtliche Weisungsbindung durch eine zeitliche oder fachliche Weisungsgebundenheit e...