Rz. 71
Wie jeder andere versicherungspflichtige Arbeitnehmer steht auch der im Homeoffice beschäftigte Arbeitnehmer unter dem Schutz der Sozialversicherung. Er ist, wenn die sozialversicherungsrechtlichen Voraussetzungen eines Beschäftigungsverhältnisses vorliegen, gesetzlich in der Krankenversicherung (§ 5 SGB V), der Pflegeversicherung (§ 20 SGB XI) und der Renten- und Arbeitslosenversicherung (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI; §§ 24, 25 SGB III) versichert. Ebenso unterliegt er dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII). Der Unfallversicherungsschutz durch die gesetzliche Unfallversicherung greift allerdings nicht, wenn der Beschäftigte sich aus seinem Homeoffice beispielsweise auf den Weg zum Kühlschrank begibt, um etwas zu essen, und dabei einen Unfall erleidet. Das BSG hat hier das Vorliegen eines versicherten Weges und damit eines Arbeitsunfalls verneint. Entscheidend für das Gericht war, welchem Interesse – eigenwirtschaftlich oder betrieblich – der Weg diente. Es ließ sich dabei von dem Gedanken leiten, dass die Nahrungsaufnahme eine eigenwirtschaftliche Tätigkeit sei und die dazugehörigen Wege daher grundsätzlich nicht versichert seien. Für die Annahme eines versicherten Betriebsweges, der auch dann angenommen werden könne, wenn sich Arbeitsstätte und Wohnung in demselben Gebäude befinden, mangele es an dem sachlichen Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und dem Zurücklegen des Weges. Der Weg wäre daher nicht im unmittelbaren Betriebsinteresse zurückgelegt worden. Die Arbeit sei unterbrochen, sobald das Homeoffice verlassen und der persönliche Lebensbereich betreten wird. Hinzu kommt, dass die Wohnung des Arbeitnehmers etwaigen Unfallverhütungsmaßnahmen des Arbeitgebers grundsätzlich entzogen sei. Die von der Rechtsprechung entwickelte Ausnahme zu den der Nahrungsaufnahme dienenden Wegen fände hier keine Anwendung, da es an der Betriebsbedingtheit des Weges fehlt. Auch die Wegeunfallversicherung des § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII sei nicht einschlägig, da diese erst nach Durchschreiten der Haustür greifen würde. Ein Arbeitsunfall kann zwar durchaus auch bei Wegen in der Wohnung des im Homeoffice-Beschäftigten in Betracht kommen. Dafür bedarf es allerdings eines Zusammenhanges zwischen versicherter Tätigkeit und dem Weg, sodass dies den Schluss zulässt, dass der Weg im unmittelbaren betrieblichen Interesse erfolgte. Dies ist anhand der objektivierten Handlungstendenz zu bestimmen. Unfallversicherungsrechtlich ist daher von einer Trennung zwischen dem "Betriebsbereich" im Homeoffice und dem Privatbereich des Arbeitnehmers auszugehen. Kommt es zu einem Unfall im Betriebsbereich, liegt ein Versicherungsfall der GUV vor.
Rz. 72
Um die mobile Arbeit zu fördern und die nach der Rechtsprechung des BSG vorhandenen Unterschiede im Versicherungsschutz bei Tätigkeit in der Betriebsstätte oder im Homeoffice zu beseitigen, hat der Gesetzgeber § 8 SGB VII durch das Betriebsrätemodernisierungsgesetz abgeändert. Der angefügte § 8 Abs. 1 S. 3 SGB VII ordnet dementsprechend an, dass der Versicherungsschutz bei mobiler Arbeit in gleichem Umfang besteht, wie bei Ausübung der Tätigkeit im Betrieb. Nunmehr können auch im eigenen Haushalt bspw. Wege zur Nahrungsaufnahme sowie zur Toilette unfallversichert sein. Zudem regelt § 8 Abs. 2 Nr. 2a SGB VII das auch der unmittelbare Weg zwischen dem Homeoffice und dem Ort der Kinderbetreuung zur versicherten Tätigkeit gehört. Im Homeoffice Beschäftigte sollen damit u.a. Versicherten, die in der Unternehmensstätte tätig werden, gleichgestellt werden. Ebenso wie bei der Tätigkeit in einer betrieblichen Arbeitsstätte bestehe ein Betreuungsinteresse des Arbeitgebers. Zukünftig wird man daher für die Frage, ob es sich bei der Verrichtung zum Zeitpunkt des Unfalls um eine im Homeoffice versicherte Tätigkeit handelt, darauf abstellen müssen, ob dieselbe Verrichtung bei einer Tätigkeit im Betrieb des Arbeitgebers versichert wäre. Für die Beurteilung der Versicherungspflicht ist der Ort der Beschäftigung entscheidend (§§ 3 Nr. 1, 9 SGB IV). Gemäß § 9 SGB IV ist Beschäftigungsort der Ort, an dem die Beschäftigung tatsächlich ausgeübt wird. Bei der versicherungsrechtlichen und beitragsrechtlichen Beurteilung von Homeoffice-Beschäftigten ist nach Auffassung der Praxis auf diesen Beschäftigungsort abzustellen. Mit anderen Worten: Es kommt also auf den Wohnort des Beschäftigten an. Insofern unterliegt ein Homeoffice-Beschäftigter den Rechtsvorschriften über die soziale Sicherheit des Staates, in dem er sein Homeoffice unterhält. Bei Telearbeitnehmern, die in der Bundesrepublik Deutschland arbeiten, ist dies folglich nicht der Betriebssitz des Arbeitgebers, sondern der jeweilige Beschäftigungsort des im Homeoffice Tätigen. Liegt aber das Homeoffice im Ausland, so unterliegt die Beschäftigung den dort maßgeblichen sozialversicherungsrechtlichen Bestimmungen, selbst wenn sich das beschäftigende Unternehmen im Inla...