Dr. Maximilian Kübler-Wachendorff
Rz. 33
Die Rechtswahl des Erblassers nach Art. 22 Abs. 1 EuErbVO führt zu einer Durchbrechung des von der EuErbVO angestrebten Ziels des Gleichlaufs von internationaler Zuständigkeit und anwendbarem Recht. In diesem Fall müssten die nach Art. 4 oder 10 EuErbVO zuständigen Gerichte fremdes Erbrecht anwenden. In den Art. 5 ff. EuErbVO sieht die Verordnung daher Mechanismen vor, bei einer Rechtswahl des Erblassers die internationale Zuständigkeit abweichend von Art. 4 und 10 EuErbVO zu begründen, um in einem solchen Fall wieder einen Gleichlauf von forum und ius herzustellen. Unausgesprochene Anwendungsvoraussetzung der Art. 5 ff. EuErbVO ist daher, dass die Gerichte des Staates, dessen Recht der Erblasser gewählt hat, nicht bereits nach Art. 4 oder 10 EuErbVO zuständig sind.
Rz. 34
Übereinstimmende Voraussetzung für die Zuständigkeitsgründe der Art. 5 ff. EuErbVO ist eine Rechtswahl des Erblassers nach Art. 22 Abs. 1 EuErbVO: Hiernach kann der Erblasser das Recht des Staates – bzw. eines der Staaten nach Abs. 1 S. 2 – wählen, dem er zum Zeitpunkt der Rechtswahl oder seines Todes angehört. Nur wenn der Erblasser eine solche Rechtswahl getroffen hat, steht den Verfahrensbeteiligten die Möglichkeit offen, über Art. 5 ff. EuErbVO die Zuständigkeit der Gerichte des vom Erblasser gewählten Heimatrechts zu begründen. Nicht ausreichend ist hingegen, dass der Erblasser dieses Recht hätte wählen können, wenn er keine entsprechende Rechtswahl getroffen hat. Die Art. 5 ff. EuErbVO sehen dabei keine Möglichkeit vor, die Zuständigkeit eines anderen Mitgliedstaates oder gar eines Drittstaates zu begründen.
Rz. 35
Umstritten ist, ob neben der Wahl des Erbstatuts nach Art. 22 EuErbVO auch die Wahl des Errichtungsstatuts nach Art. 24 Abs. 2 und Art. 25 Abs. 3 EuErbVO für die Art. 5 ff. EuErbVO ausreicht. Dies ist abzulehnen. Die Art. 5 ff. EuErbVO setzen nach ihrem Wortlaut die Wahl des auf "die Rechtsnachfolge anzuwendenden Rechts" und damit des Erbstatuts voraus. Allein dies entspricht auch dem Zeck der Vorschriften, den Gleichlauf von forum und ius wiederherzustellen. Die Anwendung der Art. 5 ff. EuErbVO zugunsten der Gerichte des gewählten Errichtungsstatuts befördert hingegen die Gefahr, einen aufgrund von Art. 4 und 21 EuErbVO bestehenden Gleichlauf zu zerstören. Die von der Gegenansicht aufgeführte Zweckdienlichkeit des Gleichlaufs von internationaler Zuständigkeit und Errichtungsstatut bei einem gleichwohl abweichenden Erbstatut ist nicht unmittelbar einleuchtend: Die Beurteilung der Wirkungen eines unter fremden Recht errichteten Testaments oder Erbvertrages dürfte den Gerichten leichter fallen, die ihr eigenes Erbrecht als Erbstatut anwenden.
Rz. 36
Für die Anwendung der Art. 5 ff. EuErbVO ist es zuletzt ohne Bedeutung, ob der Erblasser die Rechtswahl vor oder nach dem 17.8.2015 getroffen hat. Erforderlich ist lediglich, dass die Wahl des Erblassers wirksam ist. Nach Art. 83 Abs. 2 EuErbVO ist eine Rechtswahl wirksam, die er vor dem Stichtag getroffen hat, wenn sie die Voraussetzungen des Art. 22 Abs. 1 EuErbVO erfüllt oder den Erfordernissen des zum Zeitpunkt der Rechtswahl geltenden internationalen Privatrechts eines Staates, dessen Staatsangehörigkeit der Erblasser besaß, oder des Staates entspricht, in dem der Erblasser seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Zu beachten ist zudem die Fiktion der Rechtswahl nach Art. 83 Abs. 4 EuErbVO, wonach das Recht des Staates als vom Erblasser gewählt gilt, das er nach Art. 22 Abs. 1 EuErbVO hätte wählen können, wenn er vor dem Stichtag eine Verfügung von Todes wegen nach dem Recht dieses Staates errichtet hat. Auch diese fiktive Rechtswahl reicht für die Anwendbarkeit der Art. 5 ff. EuErbVO aus.