Dr. Maximilian Kübler-Wachendorff
Rz. 97
Die Gründe, aus denen die Anerkennung einer mitgliedstaatlichen Entscheidung versagt werden kann, regelt Art. 40 EuErbVO abschließend. Art. 41 EuErbVO stellt zudem klar, dass die Entscheidung in der Sache selbst nicht nachgeprüft werden darf (Verbot der révision auf fond). Ob einer Anerkennung die Versagungsgründe des Art. 40 EuErbVO entgegenstehen, wird nicht von Amts wegen, sondern nur aufgrund eines entsprechenden Einwands einer Partei geprüft.
Rz. 98
Ausgeschlossen ist die Anerkennung nach Art. 40 lit. a EuErbVO, wenn die Entscheidung der öffentlichen Ordnung (ordre public) des Anerkennungsmitgliedstaats offensichtlich widersprechen würde. Kontrollgegenstand ist dabei nicht die Entscheidung als solche, sondern deren konkrete Wirkungen im Anerkennungsstaat. Das Eingreifen des ordre public Vorbehaltes setzt einen offensichtlichen Verstoß gegen einen im Anerkennungsstaat als wesentlich geltende Rechtsgrundsatz voraus. Der Vorbehalt umfasst einerseits den materiellrechtlichen ordre public, der sich auf die inhaltliche Unvereinbarkeit der Wirkung der Anerkennung mit den Grundwerten des Anerkennungsstaates bezieht. Dieser entspricht im Wesentlichen dem kollisionsrechtlichen Vorbehalt in Art. 35 EuErbVO. Daneben umfasst Art. 40 lit. a EuErbVO auch den verfahrensrechtlichen ordre public, der das Verfahren bis zum Erlass der Entscheidung betrifft. Hier sind insbesondere Verstöße gegen Verfahrensgrundrechte wie das Recht auf ein faires Verfahren (Art. 47 EU-GRC und Art. 6 EMRK) oder den Anspruch auf rechtliches Gehör zu berücksichtigen. Die Vorschriften über die internationale Zuständigkeit gehören jedoch nicht zum verfahrensrechtlichen ordre public, auch wenn Art. 40 lit. a EuErbVO anders als andere Verordnungen keine entsprechende Klarstellung enthält.
Rz. 99
Art. 40 lit. b EuErbVO sichert die ordnungsgemäße Einleitung des Verfahrens gegenüber dem "Beklagten". Wird diesem das verfahrenseinleitende Schriftstück nicht so rechtzeitig und in einer Art zugestellt, dass er sich verteidigen konnte, und hat er sich nicht auf das Verfahren eingelassen, ist die Entscheidung hiernach nicht anzuerkennen. Die Vorschrift bezieht sich nur auf die fehlerhafte Verfahrenseinleitung; spätere Zustellungsmängel können aber einen Verstoß gegen Art. 40 lit. a EuErbVO begründen. Auch wenn die Verordnung an dieser Stelle nur vom "Beklagten" spricht, greift dieser Anerkennungsversagungsrund nicht nur bei streitigen, sondern auch bei unstreitigen Verfahren ein. Insoweit ist unter dem Begriff des "Beklagten" jede Person zu verstehen, die nach dem Verfahrensrecht des Ursprungsmitgliedstaates auf Antrag oder von Amts wegen an dem Verfahren zu beteiligen gewesen wäre. Die Nichtanerkennung scheidet aus, wenn der Beklagte trotz Möglichkeit die Entscheidung nicht nach dem Recht des Ursprungsstaates angefochten hat.
Rz. 100
Zuletzt versagen Art. 40 lit. c und lit. d EuErbVO einer Entscheidung die Anerkennung, wenn sie mit einer anderen Entscheidung unvereinbar ist. Liegt Unvereinbarkeit mit einer früheren oder späteren Entscheidung des Anerkennungsstaates vor, setzt sich die Entscheidung des Anerkennungsstaates durch (Art. 40 lit. c EuErbVO). Liegt die Unvereinbarkeit mit einer anzuerkennenden Entscheidung eines Mitglied- oder Drittstaates vor, gilt hingegen das Prioritätsprinzip: Nur die früher erlassene Entscheidung wird anerkannt (Art. 40 lit. d EuErbVO). Unvereinbarkeit liegt dabei dann vor, wenn sich zwei Entscheidungen in ihren Rechtsfolgen gegenseitig ausschließen. Unvereinbar in diesem Sinne müssen zwei Entscheidungen sein, die zwischen denselben Parteien ergangen sind. Bei streitigen Verfahren kommt es auf die formale Parteirolle an, da die Entscheidung regelmäßig nur zwischen ihnen Wirkung entfaltet. Aber auch in unstreitigen Verfahren sind Art. 40 lit. c und lit. d EuErbVO anzuwenden. Auf eine formale Beteiligtenstellung kann es in diesen Verfahren jedoch nicht ankommen, da es keinen Zwang zur formalen Beteiligung durch einen Antrag in diesen Verfahren gibt. Parteiidentität liegt demnach bereits dann vor, wenn die Entscheidung materiell (teilweise) die gleichen Personen betrifft, also Wirkungen gegenüber diesen entfaltet.