Dr. Maximilian Kübler-Wachendorff
Rz. 101
Auch wenn Entscheidungen eines Mitgliedstaates nach Art. 39 Abs. 1 EuErbVO in anderen Mitgliedstaaten kraft Gesetzes anerkannt werden, sind diese nicht ohne weiteres im Vollstreckungsstaat vollstreckbar. Nach Art. 43 EuErbVO muss die Entscheidung in dem Vollstreckungsstaat im Verfahren nach den Art. 45 ff. EuErbVO für vollstreckbar erklärt werden (Exequaturverfahren).
Rz. 102
Die Erteilung der Exequatur setzt zunächst voraus, dass die Entscheidung nach dem Recht des Ursprungsmitgliedstaat vollstreckbar ist. Neben der endgültigen Vollstreckbarkeit genügt auch die vorläufige Vollstreckbarkeit. Zudem ist erforderlich, dass die Entscheidung einen vollstreckungsfähigen Inhalt hat. Einen solchen Inhalt haben vor allem Entscheidungen aus unstreitigen Verfahren regelmäßig nicht. Diese Entscheidungen werden daher lediglich nach Art. 39 EuErbVO anerkannt, ohne dass es einer Exequatur bedarf.
Rz. 103
Eingeleitet wird das Exequaturverfahren nach Art. 43 EuErbVO durch den Antrag eines Berechtigten im Vollstreckungsmitgliedstaat. Zuständig ist nach Art. 45 Abs. 2 EuErbVO entweder das Gericht am Wohnort des Vollstreckungsschuldners oder das Gericht des Ortes, an dem die Vollstreckung durchgeführt werden soll. Nach Art. 46 Abs. 3 lit. a EuErbVO ist dem Antrag eine Ausfertigung der Entscheidung beizufügen, die nach dem Verfahrensrecht des Ursprungsmitgliedstaates die Echtheit der Entscheidung gewährleistet. Zudem ist dem Antrag eine Bescheinigung des Ursprungsgerichts nach dem einschlägigen Formblatt beizufügen (Art. 46 Abs. 3 lit. b). Dieses Formblatt bescheinigt die Vollstreckbarkeit der Entscheidung nach dem Recht des Ursprungsmitgliedstaates und begründet hierfür eine widerlegbare Vermutung. Nach Art. 47 Abs. 1 EuErbVO kann das Gericht auch von der Vorlage der Bescheinigung absehen, wenn kein weiterer Klärungsbedarf besteht. Alternativ kann sich das Gericht mit der Vorlage einer gleichwertigen Urkunde begnügen; andernfalls kann das Gericht eine Frist zur Vorlage der Bescheinigung bestimmen. Nicht verlangt werden darf, dass der Antragsteller im Vollstreckungsmitgliedstaat über eine Postanschrift oder einen bevollmächtigten Vertreter verfügt, Art. 46 Abs. 2 EuErbVO.
Rz. 104
Der Prüfungsumfang des Gerichts ergibt sich aus Art. 48 S. 1 EuErbVO. Das Gericht prüft nur, ob die eben aufgeführten förmlichen Anforderungen eingehalten worden sind, und erteilt anschließend die Exequatur. Ausdrücklich ausgeklammert vom Prüfungsumfang ist das Vorliegen von Anerkennungsversagungsgründen nach Art. 40 EuErbVO. Ob solche Gründe vorliegen, wird daher erst dann geprüft, wenn der Schuldner einen Rechtsbehelf gegen die Exequatur nach Art. 50 Abs. 1 EuErbVO eingelegt hat. Auch im Übrigen wird dem Schuldner in dem Verfahren zum Erlass der Vollstreckungserklärung nach Art. 48 S. 2 EuErbVO kein rechtliches Gehör gewährt, sodass auch eine vorsorglich eingereichte Schutzschrift des Schuldners grundsätzlich nicht zu beachten ist.
Rz. 105
Im Übrigen richtet sich das Verfahren nach Art. 46 Abs. 1 EuErbVO nach dem nationalen Verfahrensrecht der jeweiligen Mitgliedstaaten. In Deutschland ist sachlich ausschließlich das Landgericht zuständig (§ 3 Abs. 1 IntErbRVG). Notarielle Urkunden aus anderen Mitgliedstaaten können nach § 3 Abs. 4 IntErbRVG auch von einem Notar für vollstreckbar erklärt werden. Die Antragstellung erfolgt nach § 4 Abs. 2 IntErbRVG schriftlich oder mündlich zu Protokoll der Geschäftsstelle; im ersten Rechtszug besteht kein Anwaltszwang (§ 5 Abs. 2 IntErbRVG). Über den Antrag entscheidet der Vorsitzende der Zivilkammer (§ 3 Abs. 3 IntErbRVG) durch Beschluss (§ 7 IntErbRVG). Dieser ergeht nach § 5 Abs. 1 S. 1 IntErbRVG grundsätzlich ohne mündliche Verhandlung, es sei denn die Erörterung dient der Beschleunigung und der Antragsteller ist hiermit einverstanden (§ 5 Abs. 1 S. 2 IntErbRVG). Der stattgebende Beschluss enthält die zu vollstreckende Verpflichtung in deutscher Sprache (§ 7 Abs. 1 S. 2 IntErbRVG). Anschließend erteilt der Urkundsbeamte die Vollstreckungsklausel gemäß dem Muster in § 8 IntErbRVG und der Beschluss und der mit der Klausel versehene Titel werden dem Antragsgegner in beglaubigter Abschrift von Amts wegen zugestellt, § 9 Abs. 1 IntErbRVG. Ein unzulässiger oder unbegründeter Antrag wird durch Beschluss abgewiesen, § 7 Abs. 2 S. 1 IntErbRVG. Dieser ist zu begründen (§ 7 Abs. 2 S. 2 IntErbRVG) und wird dem Antragsteller nach § 9 Abs. 2 IntErbRVG zugestellt.
Rz. 106
Das Beschwerdeverfahren ist in den §§ 10 ff. IntErbRVG geregelt. Beschwerdegericht ist das OLG (§ 10 Abs. 1 IntErbRVG). Die Beschwerde ist nach § 10 Abs. 2 IntErbRVG beim Gericht, dessen Beschluss angefochten wird, einzulegen. Die Beschwerdefrist des Antragsgegners ergibt sich aus Art. 50 Abs. 5 EuErbVO und beträgt regelmäßig 30 Tage, beginnend mit der Zustellung. Die Frist verlängert sich auf 60 Tage, wenn der Vollstreckungsschuldner seinen Wohnsitz in einem anderen Mitgliedstaat als dem Vollstreckungsstaat hat. Ha...