Dr. Maximilian Kübler-Wachendorff
Rz. 51
Neben der Gerichtsstandsvereinbarung nach Art. 5 EuErbVO, enthält Art. 6 lit. a EuErbVO eine weitere Möglichkeit zur Wiederherstellung des Gleichlaufs bei einer Rechtswahl des Erblassers. Art. 6 lit. a EuErbVO ermöglicht es dem nach Art. 4 oder 10 EuErbVO angerufenen Gericht eines Mitgliedstaates, sich auf Antrag eines Verfahrensbeteiligten für unzuständig zu erklären, wenn nach dessen Auffassung die Gerichte des Mitgliedstaates, dessen Recht der Erblasser nach Art. 22 EuErbVO gewählt hat, besser in der Erbsache entscheiden können. Die Vorschrift ist an die die forum non conveniens Doktrin des common law angelehnt. Bereits aus dem Wortlaut ist ersichtlich, dass die Wahl eines drittstaatlichen Rechts durch den Erblasser hierfür nicht ausreicht.
Rz. 52
Voraussetzung für die Erklärung der Unzuständigkeit ist ein entsprechender Antrag einer Partei. Ohne einen solchen Antrag kann sich ein nach Art. 4 oder 10 EuErbVO angerufenes Gericht nicht für unzuständig erklären. Eine zeitliche Beschränkung des Antragsrechts nach Verfahrenseinleitung enthält die Verordnung nicht, sodass der Antrag zu jedem Zeitpunkt des Verfahrens zulässig ist, auch nachdem sich der Antragende zur Sache eingelassen hat.
Rz. 53
Liegt ein entsprechender Antrag vor, so steht der Ausspruch der Unzuständigkeit im pflichtgemäßen Ermessen des nach Art. 4 oder 10 EuErbVO angerufenen Gerichts. Das Gericht muss aufgrund einer Abwägung der Umstände des Einzelfalls zur Entscheidung gelangen, dass die Gerichte des vom Erblasser gewählten Heimatrechts aufgrund größerer Sachnähe besser in der Lage sind, in der Erbsache zu entscheiden. Als in der Abwägung zu berücksichtigende Umstände nennt Art. 6 lit. a EuErbVO beispielhaft den gewöhnlichen Aufenthalt der Parteien und die Belegenheit von Vermögenswerten in dem Mitgliedstaat des gewählten Heimatrechts des Erblassers. Auch weitere Umstände spielen hierbei eine Rolle, wie etwa der bereits erreichte Verfahrensstand (vor allem bei einem späten Antrag), Sprachbarrieren oder auch die besondere Komplexität der gewählten Rechtsordnung im Einzelfall. Allein die Tatsache, dass ein nach Art. 4 oder 10 EuErbVO angerufenes Gericht aufgrund der Rechtswahl ein ausländisches Erbrecht anzuwenden hat, dürfte jedoch nicht ausreichen. Insbesondere wenn die Verbindungen zu unterschiedlichen Staaten bestehen, müssen sämtliche Umstände des Einzelfalls interessengerecht abgewogen werden.
Rz. 54
Kommt das Gericht zu der Überzeugung, dass die Gerichte des gewählten Heimatrechts besser geeignet sind, die konkrete Erbsache zu entscheiden, muss sich das Gericht für unzuständig erklären. Ein weiteres Ermessen besteht dann nicht mehr.
Rz. 55
Der Erklärung der Unzuständigkeit nach Art. 6 lit. a EuErbVO ist von den Gerichten des Mitgliedstaates, dessen Recht der Erblasser nach Art. 22 EuErbVO gewählt hat, nach Art. 39 EuErbVO, vorbehaltlich des Art. 40 EuErbVO, anzuerkennen. Sie begründet nach Art. 7 lit. a EuErbVO ohne weiteres deren internationale Zuständigkeit und hat damit Prorogationswirkung. Wie bei einer Gerichtsstandsvereinbarung können diese Gerichte die Voraussetzungen der Unzuständigkeitserklärung nicht nachprüfen, also insbesondere die Abwägung oder die Wirksamkeit der Rechtswahl überprüfen, auch in kollisionsrechtlicher Hinsicht.