Dr. Maximilian Kübler-Wachendorff
Rz. 40
Erste Möglichkeit zur Wiederherstellung des Gleichlaufs ist die Gerichtsstandsvereinbarung nach Art. 5 EuErbVO. Hiernach können die betroffenen Parteien (nur) die internationale Zuständigkeit der Gerichte desjenigen Mitgliedstaates vereinbaren, dessen Recht der Erblasser nach Art. 22 EuErbVO gewählt hat. Nicht vereinbart werden kann die Zuständigkeit eines anderen Mitgliedstaates oder eines Drittstaates. War der Erblasser Staatsangehöriger eines Drittstaates, besteht bei einer Rechtswahl des Erblassers nach Art. 22 EuErbVO keine Möglichkeit, die Zuständigkeit eines mitgliedstaatlichen Gerichts zu vereinbaren. Die Zuständigkeit mitgliedstaatlicher Gerichte ergibt sich dann aus den allgemeinen Zuständigkeitsgründen. Umstritten ist jedoch in diesen Fällen, ob die nach Art. 4 oder 10 EuErbVO zuständigen Gerichte eines Mitgliedstaates die Derogation dieser Zuständigkeit aufgrund einer Gerichtsstandsvereinbarung zugunsten eines Drittstaates anerkennen müssen, wenn diese Vereinbarung die Voraussetzung des Art. 5 EuErbVO erfüllt. Sinnvollerweise sollten die Beteiligten auch die Möglichkeit haben, eine bestehende Zuständigkeit in der EU verbindlich zu derogieren.
Rz. 41
Der sachliche Umfang der Gerichtsstandsvereinbarung steht im Belieben der Parteien: So können sie für sämtliche Erbsachen nach einem verstorbenen Erblasser als auch für konkrete einzelne Erbsachen eine Gerichtsstandsvereinbarung treffen.
Rz. 42
Abgeschlossen werden muss die Gerichtsstandsvereinbarung von den "betroffenen Parteien". Die EuErbVO definiert jedoch nicht näher, wer zu diesem Kreis zählt. In Betracht kommen insbesondere Erben, Erbprätendenten, Vermächtnisnehmer, Testamentsvollstrecker, Nachlassverwalter, Pflichtteilsberechtigte und Nachlassgläubiger. Nach Erwägungsgrund 28 S. 2 EuErbVO muss der betroffene Personenkreis im Einzelfall ermittelt werden. Hierfür kommt es maßgeblich auf den Gegenstand des mittels der Vereinbarung angestrebten Verfahrens an. An der Vereinbarung müssen demnach diejenigen Parteien beteiligt sein, deren Rechte am Nachlass durch die Entscheidung des Gerichts über den Verfahrensgegenstand berührt werden. Ist nach diesen Maßstäben nur eine Person vom Verfahren betroffen, kommt keine Gerichtsstandsvereinbarung, sondern nur eine ausdrückliche Zuständigkeitsanerkennung nach Art. 7 lit. c EuErbVO in Betracht.
Rz. 43
Haben verfahrensbetroffene Parteien an der Gerichtsstandsvereinbarung nicht mitgewirkt, werden diese durch sie nicht gebunden. Die Gerichtsstandsvereinbarung entfaltet dann keine prorogierende Wirkung. Die Zuständigkeit ergibt sich aus Art. 4 oder 10 EuErbVO. Dieser Mangel wird jedoch geheilt, wenn sich die nicht an der Vereinbarung beteiligten Parteien nach Art. 9 Abs. 1 EuErbVO rügelos auf das Verfahren einlassen (Rdn 58 ff.).
Rz. 44
Eine klare Abgrenzung nach der Betroffenheit durch die Entscheidung im gegenständlichen Verfahren der Gerichtsstandsvereinbarung ist dabei letztlich nur in streitigen Verfahren möglich. Betroffen sind hier die Kläger und Beklagten als formelle Verfahrensbeteiligte, da die Rechtskraft des Urteils nur zwischen diesen Wirkung entfalten kann. Die weiteren Beteiligten, insbesondere Nachlassgläubiger, sind von einem streitigen Verfahren regelmäßig nicht betroffen. Schwierigkeiten bereiten hingegen Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit. Die von Amts wegen zu führenden Ermittlungen des Gerichts können hier jederzeit dazu führen, dass weitere bisher nicht bekannte Personen auftauchen, die ebenfalls materiell von der Entscheidung betroffen sind und daher an der Gerichtsstandsvereinbarung mitwirken müssen.
Rz. 45
Die formellen Voraussetzungen der Gerichtsstandsvereinbarung regelt Art. 5 Abs. 2 EuErbVO. Die Vereinbarung bedarf hiernach der Schriftform, ist zu datieren und von den betroffenen Parteien zu unterzeichnen. Nach Art. 5 Abs. 2 S. 2 EuErbVO steht die elektronische Übermittlung, die eine dauerhafte Aufzeichnung der Vereinbarung ermöglicht, der Schriftform gleich. Das Erfordernis der Datierung und der Unterschrift – dann durch eine elektronische Signatur – der betroffenen Parteien bleibt jedoch daneben bestehen. Ob die Gerichtsstandsvereinbarungen auch im Übrigen wirksam ist – etwa in Bezug auf das rechtsgeschäftliche Zustandekommen, die Wirksamkeit, ein mögliches Erlöschen etc. – unterliegt nach zutreffender Ansicht dem Erbstatut.
Rz. 46
In zeitlich Hinsicht kann die Gerichtsstandsvereinbarung bereits vor dem Erbfall unter den betroffenen Parteien abgeschlossen werden. Auch nach Anrufung des Gerichts (Art. 14 EuErbVO) bleibt eine Gerichtsstandsvereinbarung möglich, obgleich dann auch eine Anerkennung der Zuständigkeit nach Art. 7 lit. c EuErbVO zulässig ist; insoweit verwischen die Grenzen zwischen den beiden Instituten. Die Rechtswahl nah Art. 5 EuErbVO begründet die ausschließliche Zuständigkeit der Gerichte des prorogierten Mitgliedstaates. Die Zuständigkeit nach Art. 4 und 10 EuErbVO wird durch die Gerichts...