Dr. Maximilian Kübler-Wachendorff
Rz. 22
Die subsidiäre Zuständigkeit nach Art. 10 Abs. 1 EuErbVO erfasst den gesamten Nachlass des Erblassers, unabhängig davon, ob Teile des Nachlasses in Drittstaaten belegen sind.
Neben der sachlichen Verbindung in Form von Nachlassvermögen im Hoheitsgebiet des Mitgliedstaates des angerufenen Gerichts setzt diese Zuständigkeit zusätzlich das Bestehen weiterer Bezugspunkte in der Person des Erblassers voraus.
Rz. 23
Der erste maßgebliche Bezugspunkt ist nach Art. 10 Abs. 1 lit. a EuErbVO die Staatsangehörigkeit des Mitgliedstaates, in dem sich das Nachlassvermögen befindet. War der Erblasser indes kein Staatsangehöriger dieses Mitgliedstaates, kann nach Art. 10 Abs. 1 lit. b EuErbVO auch der vorhergehende gewöhnliche Aufenthalt des Erblassers in diesem Mitgliedstaat die Zuständigkeit begründen, wenn dieser zum Zeitpunkt der Anrufung des Gerichts nicht länger als fünf Jahre zurückliegt. Die mit erheblichen praktischen Problemen verbundene Feststellung des vorhergehenden gewöhnlichen Aufenthalts bemisst sich dabei anhand derselben Kriterien wie im Rahmen der allgemeinen Zuständigkeit nach Art. 4 EuErbVO.
Rz. 24
Auch wenn die subsidiären Zuständigkeiten nach Art. 10 Abs. 1 lit. a und lit. b EuErbVO in einem zwingenden Rangverhältnis zueinanderstehen, kann es im Rahmen des Art. 10 Abs. 1 EuErbVO zu verschiedenen positiven Kompetenzkonflikten kommen: So enthält Art. 10 Abs. 1 lit. a EuErbVO keine Regelung für Doppelstaatler. Die Allzuständigkeit nach lit. a besteht daher in jedem Mitgliedstaat separat, für den die Voraussetzungen erfüllt sind. Aus der EuErbVO ergibt sich insoweit keine Beschränkung auf die effektive Staatsangehörigkeit.
Rz. 25
Eine parallele Zuständigkeit besteht zudem dann, wenn der Erblasser in mehreren Mitgliedstaaten in den letzten fünf Jahren vor Anrufung der jeweiligen Gerichte zeitlich nacheinander einen gewöhnlichen Aufenthalt begründet hatte. Auch hier lässt sich aus Art. 10 Abs. 1 lit. b EuErbVO keine Einschränkung dahingehend entnehmen, dass nur der letzte gewöhnliche Aufenthalt in einem Mitgliedstaat vor Umzug in einen Drittstaat maßgeblich sein soll.
Rz. 26
Umstritten ist zuletzt das Verhältnis von Art. 10 Abs. 1 lit. a und lit. b EuErbVO: Nach dem Wortlaut der Vorschrift schließt die Zuständigkeit nach lit. a nur dann die Zuständigkeit nach lit. b aus, wenn der Erblasser die Staatsangehörigkeit desjenigen Mitgliedstaates hatte, in dem er auch in den letzten fünf Jahren vor Anrufung des Gerichts seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Hatte der Erblasser indes in einem anderen Mitgliedstaat seinen vormaligen gewöhnlichen Aufenthalt, scheint eine parallele Zuständigkeit nach lit. a im Mitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit der Erblasser hatte, und nach lit. b im Mitgliedstaat des vormaligen gewöhnlichen Aufenthalts nicht ausgeschlossen. Hatte etwa ein französischer Staatsangehöriger mit letztem gewöhnlichen Aufenthalt in Dänemark seinen vormaligen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland und in beiden Staaten ein Konto hinterlassen, so besteht in Deutschland eine Zuständigkeit nach lit. b und zugleich eine Zuständigkeit in Frankreich nach lit. a.
Rz. 27
Sämtliche positiven Kompetenzkonflikte werden durch Art. 17 Abs. 1 EuErbVO gelöst, wonach das später angerufene Gericht das Verfahren auszusetzen hat, bis die Zuständigkeit des zuerst angerufenen Gerichts feststeht.