Dr. Maximilian Kübler-Wachendorff
1. Anerkennung nach Art. 39 EuErbVO und die Wirkung
Rz. 92
Nach Art. 39 Abs. 1 EuErbVO werden die in einem Mitgliedstaat ergangenen Entscheidungen in den anderen Mitgliedstaaten kraft Gesetzes anerkannt. Ein Anerkennungsverfahren findet nicht statt. Die anzuerkennende Entscheidung entfaltet im anderen Mitgliedstaat die gleichen prozessualen Wirkungen wie im Ursprungsmitgliedstaat (Wirkungserstreckung). Das Recht des Ursprungsmitgliedstaates bestimmt insbesondere die Grenzen der objektiven und subjektiven Rechtskraft, Präklusionswirkung, Gestaltungswirkung und die Wirkungen gegenüber Dritten.
Rz. 93
Aus der Legaldefinition des Begriffs der Entscheidung in Art. 3 Abs. 1 lit. g EuErbVO ergibt sich, dass nur solche eines Gerichts i.S.v. Art. 3 Abs. 2 EuErbVO anerkannt werden können. Hierunter fallen grundsätzlich streitige und unstreitige Entscheidungen (siehe hierzu Rdn 8 ff.). Erforderlich für die Anerkennung ist die Wirksamkeit der Entscheidung nach dem Recht des Ursprungsmitgliedstaates, nicht jedoch der Eintritt der formellen Rechtskraft.
Rz. 94
In diesem Kontext ist auch umstritten, ob mitgliedstaatliche Erbnachweise nach Art. 39 Abs. 1 EuErbVO anzuerkennen sind. Sofern aber solche Erbnachweise als Entscheidungen i.S.v. Art. 3 Abs. 1 lit. g EuErbVO zu qualifizieren sind (siehe hierzu Rdn 10), dürfte daraus auch die Anerkennung nach Art. 39 Abs. 1 EuErbVO folgen. Nicht anzuerkennen sind mitgliedstaatliche Erbnachweise, wenn sie von einem Notar auf einstimmigen Antrag aller Beteiligten ausgestellt sind, weil der Notar dann nicht aus eigener Kraft über einen Rechtsstreit entscheiden kann. Der Erbnachweis stellt dann keine Entscheidung eines Gerichts dar und ist nicht anzuerkennen. In diesem Fall kann jedoch die öffentliche Urkunde, in der der Erbnachweis enthalten ist, nach Art. 59 Abs. 1 EuErbVO anzunehmen sein.
Rz. 95
Nicht unter Art. 39 EuErbVO fällt zudem das ENZ, da dieses nach Art. 69 Abs. 1 EuErbVO in allen Mitgliedsstaaten ohne besonderes Verfahren seine Wirkung entfaltet.
Rz. 96
Jede Partei – aber auch ein Dritter bei berechtigtem Interesse – kann auf Antrag nach Art. 39 Abs. 2 EuErbVO in einem selbstständigen Anerkennungsverfahren die Anerkennung bindend feststellen lassen, wenn hierfür ein allgemeines Rechtsschutzbedürfnis besteht. Das Anerkennungsverfahren richtet sich nach dem Verfahren für die Vollstreckbarkeit einer ausländischen Entscheidung nach Art. 45 bis 58 EuErbVO. Bildet die Frage der Anerkennung eine präjudizielle Vorfrage in einem gerichtlichen Verfahren zwischen den Parteien, so kann nach Art. 39 Abs. 3 EuErbVO dieses Gericht nicht nur inzident, sondern in einem selbstständigen Anerkennungsverfahren bindend über die Anerkennung entscheiden.
2. Anerkennungsversagungsgründe
Rz. 97
Die Gründe, aus denen die Anerkennung einer mitgliedstaatlichen Entscheidung versagt werden kann, regelt Art. 40 EuErbVO abschließend. Art. 41 EuErbVO stellt zudem klar, dass die Entscheidung in der Sache selbst nicht nachgeprüft werden darf (Verbot der révision auf fond). Ob einer Anerkennung die Versagungsgründe des Art. 40 EuErbVO entgegenstehen, wird nicht von Amts wegen, sondern nur aufgrund eines entsprechenden Einwands einer Partei geprüft.
Rz. 98
Ausgeschlossen ist die Anerkennung nach Art. 40 lit. a EuErbVO, wenn die Entscheidung der öffentlichen Ordnung (ordre public) des Anerkennungsmitgliedstaats offensichtlich widersprechen würde. Kontrollgegenstand ist dabei nicht die Entscheidung als solche, sondern deren konkrete Wirkungen im Anerkennungsstaat. Das Eingreifen des ordre public Vorbehaltes setzt einen o...