Dr. Maximilian Kübler-Wachendorff
Rz. 118
Nach Art. 59 Abs. 1 EuErbVO können nur die in einem Mitgliedstaat ausgestellten öffentlichen Urkunden angenommen werden. Privaturkunden unterfallen hingegen nicht Art. 59 Abs. 1 EuErbVO, sodass sich deren Beweiswirkungen stets nach der lex fori richten und nicht nach dem Recht des Ursprungsmitgliedstaates.
Nach der Legaldefinition in Art. 3 Abs. 1 lit. i EuErbVO ist eine öffentliche Urkunde ein Schriftstück in Erbsachen, das als öffentliche Urkunde in einem Mitgliedstaat förmlich errichtet oder eingetragen worden ist und dessen Beweiskraft sich auf die Unterschrift und den Inhalt der öffentlichen Urkunde bezieht und durch eine Behörde oder eine andere vom Ursprungsmitgliedstaat hierzu ermächtigte Stelle festgestellt worden ist. Auch elektronische Dokumente sind als "Schriftstücke" von dieser Definition erfasst. Für die Erstreckung der Beweiswirkung der Urkunde kann die annehmende Stelle aber die Vorlage einer beglaubigten Abschrift auf Papier verlangen. Ob die Errichtung einer Urkunde in elektronischer Form zulässig ist, entscheidet jedoch das Formstatut.
Rz. 119
Es muss sich um ein "Schriftstück" in Erbsachen handeln. Insoweit muss der Inhalt der Urkunde eine Materie betreffen, die in den sachlichen Anwendungsbereich der EuErbVO (Art. 1 EuErbVO) fällt, also einen Aspekt der Rechtsnachfolge von Todes wegen betrifft. Nicht maßgeblich ist hingegen, ob die Urkunde in einem erbrechtlichen Kontext verwendet werden soll: Personenstandsurkunden unterfallen daher nicht Art. 59 Abs. 1 EuErbVO, auch wenn sie für ein erbrechtliches Verfahren benötigt werden, da der Personenstand vom Anwendungsbereich der EuErbVO ausgenommen ist (Art. 1 Abs. 2 lit. a EuErbVO). Unschädlich ist aber, wenn die Urkunde neben der erbrechtlichen Materie weitere beinhaltet, die nicht in den Anwendungsbereich der EuErbVO fallen. Allerdings kann dann nur der erbrechtliche Teil der Urkunde nach Art. 59 Abs. 1 EuErbVO angenommen werden.
Rz. 120
Art. 59 Abs. 1 EuErbVO erfasst demnach insbesondere beurkundete Verfügungen von Todes wegen, beurkundete Erbausschlagungen und -annahmen, Nachlassinventare und Auseinandersetzungsvereinbarung. Mitgliedstaatliche Erbnachweise können ebenfalls unter Art. 59 Abs. 1 EuErbVO fallen, sofern sie in einer öffentlichen Urkunde enthalten sind und keine Entscheidung i.S.v. Art. 3 Abs. 1 lit. g EuErbVO darstellen.
Rz. 121
Keine öffentliche Urkunde in diesem Sinne stellen indes notarielle Beglaubigungen von Unterschriften dar. Die Legaldefinition der öffentlichen Urkunde in Art. 3 Abs. 1 lit. i EuErbVO erfordert, dass sich die Beweiskraft der Urkunde auf den Inhalt und die Unterschrift auf der Urkunde bezieht. Nicht ausreichend ist daher, wenn sich die Beweiskraft der Urkunde wie bei einer notariellen Unterschriftsbeglaubigung, allein auf die Unterschrift bezieht. Die Wirkung solcher Urkunden bestimmt sich daher allein nach der lex fori.
Rz. 122
Die Urkunde muss von einer hierzu ermächtigenden Stelle eines anderen Mitgliedstaates förmlich errichtet worden sein. Zu den hierzu ermächtigten Stellen zählen unter anderem auch Notare. Maßgeblich ist insoweit, dass die Stelle ihre hoheitlichen Rechte von einem Mitgliedstaat ableitet. Gestattet der Mitgliedstaat auch Beurkundungen im Ausland, handelt es sich ebenfalls um eine öffentliche Urkunde eines Mitgliedstaates.