Dr. Maximilian Kübler-Wachendorff
Rz. 107
Das Verfahren zur Anerkennung und Vollstreckung drittstaatlicher Entscheidungen unterliegt dem nationalen Recht der Mitgliedstaaten. Vorrangig richtet sich die Anerkennung und Vollstreckung nach staatsvertraglichen Regelungen (§ 97 Abs. 1 S. 1 FamFG). Das Deutsch-Türkische Nachlassabkommen sieht etwa vor, dass Entscheidungen, die aufgrund der Zuständigkeit nach Art. 15 S. 1 des Abkommens ergangen sind, im anderen Vertragsstaat automatisch anerkannt werden, Art. 15 S. 2.
Rz. 108
Sofern keine staatsvertraglichen Regelungen eingreifen, richtet sich die Anerkennung drittstaatlicher Entscheidungen im Erbrecht bei streitigen Urteilen nach §§ 328, 722, 723 ZPO und bei ausländischen Entscheidungen auf dem Gebiet der freiwilligen Gerichtsbarkeit nach §§ 108 bis 110 FamFG. Die Qualifikation der anzuerkennenden Entscheidung als eine Entscheidung der streitigen oder freiwilligen Gerichtsbarkeit erfolgt anhand deutscher Rechtsvorstellungen.
Rz. 109
Grundsätzlich werden sowohl nach § 328 ZPO als auch § 108 FamFG ausländische Entscheidungen kraft Gesetzes ohne ein eigenes Anerkennungsverfahren anerkannt. Das mit der Anerkennung befasste Gericht (oder Behörde) prüft von Amts wegen, ob Anerkennungsversagungsgründe vorliegen. Anders als nach Art. 39 ff. EuErbVO ist eine Rüge des Vollstreckungsschuldners, mit Ausnahme des § 328 Abs. 1 Nr. 2 ZPO und § 109 Abs. 1 Nr. 2 FamFG, nicht erforderlich. Die Anerkennung führt zur Wirkungserstreckung der prozessualen Wirkungen der Entscheidung nach dem Recht des ausländischen Staates auf das Inland.
Rz. 110
Primäre Voraussetzung für eine Anerkennung ist, dass eine Entscheidung eines ausländischen Gerichts vorliegt, die nach dem Recht dieses Staates wirksam ist. Ob die anzuerkennende Entscheidung darüber hinaus nach dem Recht des Ursprungsstaates auch formell rechtskräftig sein muss, ist hingegen streitig.
Rz. 111
Des Weiteren setzt die Anerkennung nach § 328 Abs. 1 Nr. 1 ZPO bzw. § 109 Abs. 1 Nr. 1 FamFG voraus, dass das ausländische Gericht nach deutschem Recht international zuständig für die Entscheidung war. Maßgeblich ist insoweit die spiegelbildliche Anwendung der deutschen Zuständigkeitsvorschriften. In Erbsachen i.S.d. EuErbVO beurteilt die überwiegende Ansicht die Anerkennungszuständigkeit ebenfalls ausschließlich nach den Art. 4 ff. EuErbVO und nicht nach dem nationalen Zuständigkeitsrecht. Richtigerweise sollte es hier jedoch nicht allein auf die Art. 4 ff. EuErbVO ankommen, da dies auch im Verhältnis zu Drittstaaten zu einer Zuständigkeitskonzentration führen würde. In der Folge können jedoch Anerkennungslücken entstehen, wenn der Drittstaat seine Zuständigkeit allein aufgrund des Wohnsitzes des Beklagten bzw. Antragstellers oder -gegners (etwa Erben) angenommen hat und die Anknüpfungsmomente der EuErbVO im Übrigen in diesem Staat nicht erfüllt sind. Es sollten daher die nationalen Zuständigkeitsvorschriften sowie die Art. 4 ff. EuErbVO nebeneinander zur Bestimmung der Anerkennungszuständigkeit herangezogen werden.
Rz. 112
Auf entsprechende Rüge des Beklagten oder Antragsgegners ist die Anerkennung nach § 328 Abs. 1 Nr. 2 ZPO bzw. § 109 Abs. 1 Nr. 2 FamFG auch dann zu versagen, wenn dem Beklagten oder Beteiligten nicht ordnungsgemäß und rechtzeitig das verfahrenseinleitende Schriftstück zugestellt worden ist. Anders als nach Art. 40 lit. b EuErbVO trifft den Beklagten oder Beteiligten nach § 328 Abs. 1 Nr. 2 ZPO bzw. § 109 Abs. 1 Nr. 2 FamFG keine Rechtsmittelobliegenheit im Drittstaat, um den Anerkennungsversagungsgrund nicht zu verlieren.
Rz. 113
Nicht anerkannt werden nach § 328 Abs. 1 Nr. 3 ZPO bzw. § 109 Abs. 1 Nr. 3 FamFG ausländische Entscheidungen zudem, wenn sie mit einer inländischen oder einer zuvor anerkannten Entscheidung unvereinbar ist. Dieser Versagungsgrund greift zudem dann ein, wenn das deutsche Gerichtsverfahren vor dem ausländischen Verfahren rechtshängig geworden ist. Die ausländische Entscheidung wird schließlich nicht anerkannt, wenn ein Verstoß in materiell- oder verfahrensrechtlicher Hinsicht gegen den inländischen anerkennungsrechtlichen ordre public vorliegt (§ 328 Abs. 1 Nr. 4 ZPO bzw. § 109 Abs. 1 Nr. 4 FamFG).
Rz. 114
Zuletzt setzt die Urteilsanerkennung in streitigen Verfahren noch die Verbürgung der Gegenseitigkeit nach § 328 Abs. 1 Nr. 5 ZPO voraus. Anerkannt werden hiernach nur Urteile aus Staaten, die in der umgekehrten Situation auch ein deutsches Urteil anerkennen würden. Ausreichend aber auch erforderlich ist, dass für die gegenseitige Anerkennung im Wesentlichen die gleichen Bedingungen bestehen; eine formale staatsvertragliche Grundlage ist nicht erforderlich. In Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit kommt es hingegen regelmäßig nicht auf die Verbürgung der Gegenseitigkeit an; § 109 Abs. 4 FamFG fordert die Gegenseitigkeit nur für Familienstreitsachen (Nr. 1) und bestimmte Lebenspartnerschaftssachen (Nr. 2 bis 5).
Rz. 115
Auch nach nationalem Rech setzt die Vollstreck...