Dr. Maximilian Kübler-Wachendorff
Rz. 87
Enthalten Staatsverträge mit Drittstaaten ebenfalls Regelungen über die internationale Zuständigkeit in Erbsachen, gehen diese nach Art. 75 Abs. 1 EuErbVO der Verordnung ebenfalls vor. Aus deutscher Sicht betrifft das vor allem das Deutsch-Türkische Nachlassabkommen. § 15 dieses Abkommens regelt die internationale Zuständigkeit und ordnet eine zuständigkeitsrechtliche Nachlassspaltung an. Für den beweglichen Nachlass knüpft das Abkommen an die Staatsangehörigkeit des Erblassers an. Für den unbeweglichen Nachlass sind hingegen die Gerichte des Belegenheitsstaats zuständig. Die Qualifikation eines Nachlassgegenstandes als unbeweglich richtet sich nach § 12 Abs. 3 des Abkommens nach dem Recht des Belegenheitsortes des Nachlassgegenstandes. Die Zuständigkeit nach § 15 des Abkommens ist eine ausschließliche. Gerichtsstandsvereinbarungen sind unzulässig.
Rz. 88
§ 15 des Abkommens erfasst indes nur (streitige) Verfahren, die die Feststellung des Erbrechts, Erbschaftsansprüche (nach § 2018 BGB), Ansprüche aus Vermächtnissen oder Pflichtteilsansprüche betreffen. Nicht erfasst sind demnach Verfahren hinsichtlich der Erbauseinandersetzung oder die Durchsetzung von Nachlassansprüchen. Auch Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit fallen nicht unter das Abkommen, sodass sich diese nach der EuErbVO richten.
Rz. 89
Der Vorrang der Zuständigkeit des Abkommens vor der EuErbVO setzt jedoch stets voraus, dass der persönliche und räumliche Anwendungsbereich des Abkommens eröffnet ist. Hier ist vieles umstritten. Nach der überwiegenden Auffassung ist das Abkommen in persönlicher Hinsicht nur dann anzuwenden, wenn eine Staatangehöriger des jeweils anderen Vertragsstaates verstirbt; nicht hingegen auf deutsch-türkische Doppelstaatler, da diese einen entsprechenden Schutz des Abkommens nicht benötigen. Bei Doppelstaatlern mit drittstaatlicher Staatsangehörigkeit soll es auf die effektive Staatsangehörigkeit ankommen. In räumlicher Hinsicht ist das Abkommen nach der wohl überwiegenden Auffassung nur auf Nachlassgegenstände anzuwenden, die ein Staatsangehöriger des einen Staates im Hoheitsgebiet des jeweils anderen Vertragsstaates hinterlassen hat. Nicht anzuwenden ist das Abkommen daher auf Nachlassgegenstände, die im Heimatstaat des Erblassers oder in einem Drittstaat belegen sind. Eine andere Ansicht will das Abkommen auch für Nachlassgegenstände anwenden, die sich in einem Drittstaat befinden.
Rz. 90
Verstirbt ein türkischer Staatsangehöriger mit letztem gewöhnlichem Aufenthalt in Deutschland, ergibt sich Folgendes: Der in Deutschland belegene bewegliche Nachlass unterfällt § 15 des Abkommens, sodass die türkischen Gerichte zuständig sind. Für das Immobilienvermögen in Deutschland ist hingegen Deutschland nach § 15 des Abkommens zuständig. Weil für den in der Türkei belegenen beweglichen und unbeweglichen Nachlass des türkischen Erblassers das Abkommen räumlich nicht anwendbar ist, bestimmt sich die Zuständigkeit hierfür nach den Art. 4 ff. EuErbVO. Dasselbe würde auch für einen in der Türkei verstorbenen Deutschen gelten, sodass für dessen Vermögen in Deutschland sich die Zuständigkeit nach den Art. 4 ff. EuErbVO richtet.