Dr. iur. Stephanie Herzog
Rz. 52
Die Praxis nimmt die Möglichkeit, ein Aufgebotsverfahren zu durchlaufen, kaum wahr. Für den Rechtsanwalt ist dies haftungsträchtig, wenn er den Mandanten nicht zumindest hierauf hinweist, gewährt das Verfahren doch erhebliche Vorteile im Rahmen der Haftungsbeschränkung:
1. Keine Insolvenzverschleppungshaftung
Rz. 53
Den Erben trifft vor allem im Falle der Überschuldung des Nachlasses (§§ 19, 320 Abs. 1 InsO) eine Nachlassinsolvenzpflicht, wenn er hiervon wusste oder fahrlässig in Unkenntnis hierüber war (§ 1980 BGB). Um dieser Pflicht nachkommen zu können, muss er wissen, welche Nachlassverbindlichkeiten bestehen. Denn nur dann kann er Aktiva und Passiva gegenüberstellen, um zu erfahren, ob der Nachlass die bestehenden Verbindlichkeiten deckt (§ 19 Abs. 2 S. 1 InsO). Dieses Wissen über die bestehenden Nachlassverbindlichkeiten kann im Rahmen eines Aufgebotsverfahrens erlangt werden. Nutzt der Erbe dieses Tool nicht, obwohl Grund zu der Annahme bestand, dass ihm bisher unbekannte Nachlassverbindlichkeiten bestehen, so bescheinigt das Gesetz ihm fahrlässiges Handeln, § 1980 Abs. 2 S. 2 Hs. 1 BGB.
Rz. 54
Durch ein Aufgebot und sich hieran anschließendes pflichtgemäßes Handeln entgeht der Erbe einer ihn sonst möglich treffenden Haftung aus § 1980 Abs. 2 S. 1 BGB. Das Gesetz erlaubt dem Erben, bei der Beurteilung der Überschuldung davon auszugehen, dass es allein die im Aufgebot angemeldeten (und ggf. ihm sonst bekannt gewordenen) Forderungen gibt, §§ 1973, 1979 BGB, § 327 Abs. 3 InsO.
2. Milderer Haftungsmaßstab
Rz. 55
Der Erbe haftet den Nachlassgläubigern für seine bisherige Verwaltung des Nachlasses, § 1978 Abs. 1 BGB. Wenn der Erbe nach Durchlaufen eines Aufgebots davon ausgehen darf, dass der Nachlass nicht überschuldet ist und er die im Aufgebotsverfahren nicht ausgeschlossenen Gläubiger befriedigt, so kann er dies gemäß § 1979 BGB für Rechnung des Nachlasses tun. Die Gläubiger müssen die Schmälerung des Nachlasses durch Befriedigung der durch das Aufgebotsverfahren bekannt gewordenen Nachlassgläubiger als nachlassschmälernd hinnehmen, da das Vorgehen als ordnungsgemäße Nachlassverwaltung gilt.
3. Beschränkung der Haftung durch Ausschließungsbeschluss
Rz. 56
Den Gläubigern, die ihre Forderung im Aufgebotsverfahren nicht angemeldet haben und folglich durch Ausschließungsbeschluss, §§ 439, 38 ff. FamFG, ausgeschlossen wurden, haftet der Erbe nur noch nach Bereicherungsrecht (§§ 812 ff. BGB) und nicht mehr nach §§ 1978, 1980 BGB. Folge: Nach Befriedigung der nicht ausgeschlossenen Gläubiger kann der Erbe den Nachlass für sich verwenden, ohne befürchten zu müssen, über § 1978 BGB in Anspruch genommen zu werden. Den ausgeschlossenen Gläubigern muss der Erbe nur noch den überschüssigen Nachlass zur Verfügung stellen. Im Übrigen kann er sich auf Entreicherung (§ 818 Abs. 3 BGB) berufen.
Rz. 57
Im Insolvenzverfahren werden die Forderungen der ausgeschlossenen Gläubiger nach Maßgabe des § 327 Abs. 3 InsO nachrangig erfüllt.
4. Bei Miterben: Teilhaftung
Rz. 58
Miterben haften bei Teilung nach Durchführung eines Aufgebotsverfahrens gemäß § 2060 Nr. 1 BGB nur noch als Teilschuldner und nicht mehr als Gesamtschuldner (§ 2058 BGB i.V.m. §§ 421 ff. BGB).