Dr. iur. Stephanie Herzog
A. Vorbereitende Verfahren
Rz. 1
In den folgenden beiden Kapiteln (§§ 7 und 8) werden die einzelnen oben (siehe unter § 4 Rdn 21) aufgezeigten Verfahrensarten in ihren Auswirkungen für den Erben dargestellt. Der Blickwinkel ist weiter der des den Erben beratenden Rechtsanwaltes und nicht etwa der eines Nachlass(insolvenz)verwalters oder gar Nachlassgläubigers.
Um zu entscheiden, ob der Erbe eine endgültige Haftungsbeschränkung herbeiführen sollte, und zur Vorbereitung derselben kann (nicht muss, siehe oben § 4 Rdn 29) der Erbe sich eines Inventars nach §§ 1993 ff. BGB und/oder eines Aufgebotsverfahrens nach §§ 1970 ff. BGB bedienen. Das Inventar bietet ihm vor allem durch die Vermutung des § 2009 BGB die Möglichkeit festzuhalten, welche Aktiva sich im Nachlass befinden; das Aufgebot dient der Ermittlung der unbekannten oder nicht vollumfänglich bekannten Nachlassverbindlichkeiten. Wie verlaufen nun diese Verfahren und welche Vor- und Nachteile bringen sie dem Erben?
B. Das Inventar
Rz. 2
Der Erbe kann nach § 1993 BGB ein Verzeichnis des Nachlasses (Inventar) erstellen. Diese Inventarisierung, d.h. die Aufstellung der Aktiva und Passiva (§ 2001 BGB) dient vor allem dazu, den (Aktiv-)Bestand des Nachlasses festzuhalten.
I. Angriffswaffe der Gläubiger
Rz. 3
Von den Nachlassgläubigern kann das Inventar nach §§ 1993 ff. BGB zunächst als "Angriffswaffe" gegen den Erben eingesetzt werden.
Denn auf Antrag eines Nachlassgläubigers muss der Erbe innerhalb einer vom Gericht zu bestimmenden Frist nach § 1994 BGB das Inventar errichten (siehe Rdn 35). Tut er das nicht oder nicht ordnungsgemäß, so droht die Sanktion der unbeschränkten Haftung (§§ 1994 Abs. 1 S. 2, 2005, 2013 BGB). Vor diesem Hintergrund ist es auch zu verstehen, dass die Errichtung des Inventars durch einen Miterben nach § 2063 BGB auch den übrigen zu Gute kommt; es genügt, wenn ein Inventar erstellt wurde, um der Ratio der Inventarvorschriften Genüge zu tun. Ratio ist, dass den Gläubigern für den Fall der Haftungsbeschränkung auf den Nachlass ein Mittel zur Verfügung stehen muss, den ursprünglichen Bestand des Nachlasses in zuverlässiger Weise in Erfahrung zu bringen.
Rz. 4
Ferner verliert der Erbe ab Inventarerstellung die Einrede des § 2014 BGB, wenn die 3-Monats-Frist des § 2014 BGB nicht ohnehin abgelaufen ist.
Rz. 5
Durch Fehler bei der Inventarerrichtung droht der Verlust der Haftungsbeschränkungsmöglichkeit, §§ 2005, 2013 BGB.
Rz. 6
Schließlich können Gläubiger zielgerichtet in den Nachlass vollstrecken, da sie ein Einsichtsrecht in das Inventar nach § 2010 BGB haben, und Erben aus §§ 1978 f. BGB in Anspruch nehmen.
II. Sinnvolles Instrument für den Erben
Rz. 7
Auch wenn das Inventar dem Erben noch nicht unmittelbar zu einer Haftungsbeschränkung auf den Nachlass verhilft, kann es für die Haftungsbeschränkung für den Erben wichtig sein:
1. Abwehr des Angriffs
Rz. 8
Zunächst einmal gilt es, den Angriff des Gläubigers erfolgreich abzuwehren, falls dieser dem Erben über das Nachlassgericht gemäß § 1994 Abs. 1 S. 1 BGB eine Inventarfrist gesetzt hat.
Hinweis
Dem Nachlassverwalter kann keine Inventarfrist gesetzt werden, § 2012 BGB.
Rz. 9
Hierzu muss der Erbe das Inventar gemäß § 1994 Abs. 1 S. 2 BGB vor allem fristgerecht erstellen; die Beweislast hierfür trägt der Erbe. Da die Frist nach § 1995 BGB mit ein bis drei Monaten eher kurz ist, kann es helfen, das Inventar nicht selbst aufzunehmen gem. § 2002 BGB, sondern einen Antrag auf amtliche Aufnahme des Inventars gem. § 2003 BGB zu stellen; denn hier wirkt schon die Antragstellung fristwahrend (siehe noch Rdn 21).
Rz. 10
Ferner muss der Erbe darauf achten, das Inventar ordnungsgemäß zu erstellen (§ 2005 BGB) und auf Verlangen des Gläubigers die Richtigkeit an Eides Statt zu versichern (§ 2006 BGB, siehe näher Rdn 45 ff.), um nicht die Möglichkeit der Haftungsbeschränkung zu verlieren, § 2013 BGB (siehe oben § 6).
2. Vorteile nutzen
Rz. 11
a) Der Erbe kann aber dem Gläubiger auch zuvorkommen, indem er freiwillig und ohne an eine Frist gebunden zu sein, ein Inventar erstellt.
Hinweis
Dies sollte – wenn nicht die Frist des § 1994 BGB zuvor abläuft – nicht vor Ablauf von drei Monaten geschehen, damit der Erbe nicht frühzeitig die Einrede des § 2014 BGB verlie...