Dr. Gudrun Doering-Striening
Rz. 6
Es ist ein Fall der unmittelbaren Anwendung des Nachranggrundsatzes gegenüber der Wiederherstellung des Nachranggrundsatzes, wenn Einkommen und Vermögen der einsatzpflichtigen Personen zunächst geprüft werden und dann erst eine Leistungsentscheidung getroffen wird. Das Kinder- und Jugendhilfegesetz – heute SGB VIII – ist aber primär ein Hilfegesetz, kein Kostengesetz. Deshalb werden zwar Einkommen und Vermögen berücksichtigt, rechtstechnisch wird der Nachrang der Leistung aber in unterschiedlichen Formen bewerkstelligt.
Rz. 7
Zunächst ist hierzu § 10 SGB VIII einschlägig, der u.a. Vorrang und Nachrang der subsidiären Leistungsgesetze untereinander regelt.
Rz. 8
Weiterhin sind gem. § 10 SGB VIII Leistungen aus Verpflichtungen Dritter vorrangig (Nachrang der Jugendhilfe gegenüber Verpflichtungen Dritter). Mit "Verpflichtungen anderer" sind vorrangig Träger anderer Sozialleistungen und der Schulen gemeint. Mit "Verpflichtungen anderer" sind im Übrigen Verpflichtungen gegenüber dem Kind, dem Jugendlichen, deren Eltern oder dem jungen Volljährigen gemeint. Unterhaltspflichtige Personen werden nach Maßgabe der §§ 90–97b SGB VIII an den Kosten für Leistungen und vorläufige Maßnahmen nach dem SGB VIII beteiligt.
Freiwillige Leistungen ohne Rechtsgrund fallen nicht unter diese Vorschrift.
Rz. 9
Gegenüber den sonstigen eigenen Mitteln der jungen Menschen und ihren Eltern gibt es im SGB VIII sodann einen begrenzten Nachrang, der in der Regel nicht durch die Anrechnung eigener Mittel auf den Bedarf realisiert wird, sondern durch einen pauschalierten Kostenbeitrag, also eine nachträgliche Berücksichtigung der Nachrangigkeit.
Rz. 10
Schon nach dem JWG hat das BVerwG den Grundsatz entwickelt, dass bei der Hilfe zur Erziehung und bei Maßnahmen der öffentlichen Erziehung der optimale Erziehungserfolg Vorrang gegenüber den Möglichkeiten der Kostenbeteiligung haben muss, wenn ansonsten der Erziehungserfolg gefährdet würde. Dieser Grundsatz ist heute in § 92 Abs. 5 SGB VIII normiert:
Von der Heranziehung soll im Einzelfall ganz oder teilweise abgesehen werden, wenn sonst Ziel und Zweck der Leistung gefährdet würden oder sich aus der Heranziehung eine besondere Härte ergäbe.
Er gibt dem Erziehungserfolg den Vorrang vor dem Mitteleinsatz der Einsatzpflichtigen. Von einem Regress- bzw. Rückgriffsinstrumentarium des SGB VIII, das spiegelbildlich zum Leistungsrecht ist, kann man daher nicht sprechen.
I. Kostenbeitragsregeln
Rz. 11
Es gibt im SGB VIII unterschiedliche Formen der Kostenbeteiligung mit jeweils wiederum unterschiedlichen Inhalten:
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pauschalierter Kostenbeitrag (§ 90 SGB VIII), |
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individualisierter Kostenbeitrag zu speziell aufgezählten vollstationären, teilstationären und vorläufigen Maßnahmen (§§ 91–94 SGB VIII) mit Regelungen zur Ausgestaltung der Heranziehung aus Einkommen und Vermögen und mit Anspruchsüberleitung nach § 95 SGB VIII. |
Rz. 12
Die Träger der öffentlichen Jugendhilfe tragen die Kosten der in § 91 Abs. 1 und 2 SGB VIII genannten Leistungen unabhängig von der Erhebung eines Kostenbeitrags. Es besteht Vorleistungspflicht.
Rz. 13
Prüfung und Festsetzung eines Kostenbeitrags erfolgen in mehreren Schritten:
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Im ersten Schritt muss geprüft werden, um welche kostenbeitragspflichtigen Maßnahmen es geht (§ 91 SGB VIII). |
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Im zweiten Schritt erfolgt die Bestimmung der für eine Kostenheranziehung aus Einkommen und Vermögen in Betracht kommenden Personen, und es werden grundlegende verfahrensrechtliche Anforderungen an eine Heranziehung normiert (§ 92 SGB VIII). |
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Im dritten Schritt befasst sich das Gesetz mit der Ermittlung des für die Heranziehung im Einzelfall zugrunde zu legenden Einkommens (§ 93 Abs. 1 SGB VIII). |
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Im vierten Schritt wird bestimmt, wer in welchem Umfang aus Einkommen herangezogen werden kann (§ 94 SGB VIII). Im Verhältnis von § 93 SGB VIII zu § 94 SGB VIII ergibt sich dabei, dass nach § 93 SGB VIII zunächst das Einkommen der Höhe nach zu bestimmen ist, welches für den abschließenden Verfahrensschritt, die Festlegung des konkret festzusetzenden Kostenb... |