Dr. Gudrun Doering-Striening
Rz. 22
Bei dem Begriff des Einkommens i.S.d. SGB VIII handelt es sich um einen selbstständigen unbestimmten Rechtsbegriff, der vielfach durch die Rechtsprechung ausgelegt worden ist. Einkommen i.S.d. § 93 Abs. 1 S. 1 SGB VIII sind
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alle Einkünfte in Geld oder Geldeswert |
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ohne Rücksicht auf ihre Herkunft und Rechtsnatur und |
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ohne Rücksicht darauf, ob es sich dabei um Einkünfte nach dem EStG handelt oder nicht. |
Daher ist ein Verlustausgleich mit anderen Einkommensarten nicht möglich. Geldleistungen, die dem gleichen Zweck wie die jeweilige Leistung der Jugendhilfe dienen, zählen nicht zum Einkommen und sind unabhängig von einem Kostenbeitrag einzusetzen.
Rz. 23
Die Definition des Einkommens ist erkennbar der Einkommensdefinition des SGB XII nachgebildet, denn schon nach früherer höchstrichterlicher Rechtsprechung waren bei der Berechnung des Einkommens die Regelungen des SGB XII entsprechend anzuwenden. Den ursprünglich im Gesetzgebungsverfahren vorgeschlagenen Verweis auf die sozialhilferechtliche Einkommensberechnungsverordnung hat der Gesetzgeber ausdrücklich nicht übernommen. Er wollte einen eigenständigen jugendhilferechtlichen Einkommensbegriff für das Kinder- und Jugendhilferecht, der nur noch insoweit den Rückgriff auf das SGB XII zulässt, als das SGB VIII keine Sonderregelungen getroffen hat.
Rz. 24
Das Einkommen wird nach Maßgabe des § 93 Abs. 1–3 SGB VIII bereinigt. Die Belastungen bzw. Abzugsposten unterscheiden sich von denen anderer nachrangiger Normen. Insbesondere werden – anders als im SGB XII oder SGB II – Schuldverpflichtungen abgezogen. § 93 Abs. 3 SGB VIII bestimmt:
Von dem nach den Absätzen 1 und 2 errechneten Betrag sind Belastungen der kostenbeitragspflichtigen Person abzuziehen. Der Abzug erfolgt durch eine Kürzung des nach den Absätzen 1 und 2 errechneten Betrages um pauschal 25 vom Hundert. Sind die Belastungen höher als der pauschale Abzug, so können sie abgezogen werden, soweit sie nach Grund und Höhe angemessen sind und die Grundsätze einer wirtschaftlichen Lebensführung nicht verletzen. In Betracht kommen insbesondere
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Beiträge zu öffentlichen oder privaten Versicherungen oder ähnlichen Einrichtungen, |
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die mit der Erzielung des Einkommens verbundenen notwendigen Ausgaben, |
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Schuldverpflichtungen. |
…
Rz. 25
Zu den Schuldverpflichtungen gehören auch die Kosten der Finanzierung von Wohneigentum, jedoch nur insoweit, als den Finanzierungskosten der durch die Nutzung des Eigentums erzielte Wohnwert gegenübergestellt und in Abzug gebracht wird. Das ist eine Betrachtungsweise, die dem SGB XII fremd ist.
Rz. 26
Maßgeblich ist nach § 93 Abs. 4 SGB VIII das aus dem so ermittelten Einkommen berechnete durchschnittliche Monatseinkommen, das die kostenbeitragspflichtige Person in dem Kalenderjahr erzielt hat, welches dem jeweiligen Kalenderjahr der Leistung oder Maßnahme vorangeht. Auf Antrag der kostenbeitragspflichtigen Person wird dieses Einkommen nachträglich durch das durchschnittliche Monatseinkommen ersetzt, welches die Person in dem jeweiligen Kalenderjahr der Leistung oder Maßnahme erzielt hat. Das stellt eine Parallele zu § 24 BAföG dar.
Rz. 27
Eine Besonderheit regelt § 93 Abs. 4 S. 4 SGB VIII:
Macht die kostenbeitragspflichtige Person glaubhaft, dass die Heranziehung zu den Kosten aus dem Einkommen nach Satz 1 in einem bestimmten Zeitraum eine besondere Härte für sie ergäbe, wird vorläufig von den glaubhaft gemachten, dem Zeitraum entsprechenden Monatseinkommen ausgegangen; endgültig ist in diesem Fall das nach Ablauf des Kalenderjahres zu ermittelnde durchschnittliche Monatseinkommen dieses Jahres maßgeblich.